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Studie zeigt: sichtbare Biophotonen-Emissionen enden mit dem Tod
Ein aktuelles Experiment von Forschenden der University of Calgary und des National Research Council of Canada liefert direkte physikalische Hinweise darauf, dass lebendes Gewebe ultraschwaches sichtbares Licht aussendet, das nach dem Tod deutlich abnimmt. Mithilfe empfindlicher Low-Light-Kameras wurde die ultraschwa-che Photon-Emission (UPE), auch als Biophotonen bezeichnet, sowohl von ganzen Mäusen als auch von Blättern zweier Pflanzenarten gemessen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass biologische Materialien ein schwaches sichtbares Leuchten erzeugen, das mit Stoffwechselaktivität und zellulärem Stress korreliert, und dass dieses Leuchten nach dem Lebensende stark abfällt.
Wissenschaftlicher Hintergrund: Was sind Biophotonen und warum sind sie wichtig
Biophotonen und Chemilumineszenz
Biophotonen sind extrem schwache Lichtemissionen, die spontan von biologischen Zellen erzeugt werden. Im Unterschied zu gut sichtbaren Formen der Chemilumineszenz — etwa dem Biolumineszenz-Schein von Glühwürmchen — sind Biophotonen um mehrere Größenordnungen schwächer. Sie wurden über Jahrzehnte hinweg in einem breiten Spektrum registriert, grob im Wellenlängenbereich von etwa 200 bis 1.000 Nanometern, also von UV bis nahes Infrarot. Forscher haben diese kaum sichtbaren Emissionen aus vielfältigen Proben nachgewiesen: von Bakterienkolonien über Pflanzengewebe bis hin zu Säugetiergewebe.
Historisch gesehen reichen frühe Beobachtungen solcher schwachen Emissionen bis in das 20. Jahrhundert zurück. Forscher wie Alexander Gurwitsch schilderten bereits frühe Hinweise auf schwache Strahlung aus Zellen, später führten Arbeiten von Wissenschaftlern wie Fritz-Albert Popp und anderen zur modernen Erforschung der Biophotonik. Moderne Nachweismethoden haben diese frühen Berichte mit deutlich besseren Messgeräten validiert und weiter differenziert.
Reaktive Sauerstoffspezies als wahrscheinliche Quelle
Eine führende Erklärung verortet die Ursache der Biophotonen bei reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Kommt es in Zellen zu Stress durch Wärme, Toxine, Infektionen oder Nährstoffmangel, können ROS wie Wasserstoffperoxid, Superoxid oder Singulett-Sauerstoff mit Lipiden und Proteinen reagieren und dabei elektronisch angeregte Zustände erzeugen. Wenn diese angeregten Moleküle wieder in niedrigere Energieniveaus übergehen, können einzelne Photonen im sichtbaren Bereich freigesetzt werden. Solche Prozesse treten beispielsweise bei Lipidperoxidation auf, wenn Lipidradikale zerfallen und energetische Übergänge Licht emittieren.
Wenn diese Mechanismen bestätigt werden, könnte UPE als nicht-invasive Indikator für zellulären Stress oder den metabolischen Zustand dienen. Als Beispiel dient die Möglichkeit, oxidative Belastung frühzeitig zu erkennen, bevor sich makroskopische Symptome zeigen — eine Perspektive mit Potenzial für Diagnostik und Pflanzenüberwachung.
Experimentelle Details und zentrale Befunde
Um zu prüfen, ob UPE auf ganze Organismen übertragbar ist und nicht nur in isolierten Geweben gemessen werden kann, setzten die Forschenden auf hochsensible Kameras: electron-multiplying charge-coupled device (EMCCD) und konventionelle charge-coupled device (CCD) Sensoren. Vier immobilisierte Mäuse wurden einzeln in eine dunkle Kammer gebracht und jeweils eine Stunde lebend abgebildet; anschließend wurden die Tiere euthanasiert und für eine weitere Stunde abgebildet. Wichtig war, dass die Körpertemperatur nach dem Tod annähernd auf Körpertemperatur gehalten wurde, um thermische Effekte auf Strahlung kontrolliert zu halten.
Die Instrumente waren so empfindlich, dass sie einzelne Photonen im sichtbaren Wellenlängenbereich erfassen konnten, die aus den Zellen der Tiere kamen. Die gemessenen UPE-Zählraten fielen nach der Euthanasie signifikant ab, was einen klaren Kontrast zwischen lebendem und nicht-lebendem Zustand zeigte. Paralleluntersuchungen an Pflanzenblättern von Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) und Heptapleurum arboricola (Zwergschirmbaum) lieferten komplementäre Befunde: physisch verletzte oder chemisch gestresste Blattareale emittierten mehr sichtbare Photonen als unverletzt erscheinendes Gewebe.
Die Forschenden betonen, dass die Messungen kontrolliert und über längere Zeitreihen durchgeführt wurden, um temporäre Artefakte auszuschließen. Zusätzlich wurden Referenzmessungen unter bekannter Dunkelstrombelastung und mit Kalibrationsquellen vorgenommen, um die Photonenraten in physikalisch greifbare Einheiten umzusetzen. Solche Kalibrierungen sind wichtig, weil die absolute Anzahl detektierter Photonen von der Quanteneffizienz der Detektoren, deren Kühlung und der optischen Konfiguration abhängt.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die verletzten Bereiche in allen Blättern während der gesamten 16-stündigen Bildaufnahmen deutlich heller waren als die unverletzten Teile der Blätter“, berichtet das Forschungsteam und hebt damit die Korrelation zwischen stressinduzierter ROS-Produktion und erhöhter UPE hervor. Diese Beobachtung wurde durch statistische Auswertungen bestätigt, die zeitliche Entwicklung der Signalstärke analysierten und systematische Fehlerquellen berücksichtigten.

Folgen, Herausforderungen und zukünftige Perspektiven
Die Möglichkeit, zellulären Stress aus der Ferne und nicht-invasiv zu überwachen, ist für Medizin, Landwirtschaft und Mikrobiologie attraktiv. Klinisch könnte UPE-Imaging hypothetisch Gewebe unter oxidativem Stress anzeigen, bevor sichtbare Symptome entstehen — beispielsweise zur frühen Erkennung ischämischer Schäden, Gewebsverkapselung nach Transplantation oder der Bewertung von Wundheilung. In der Landwirtschaft könnte eine schnelle Erkennung von Pflanzenstress oder Krankheiten mittels Biophotonenbildern Bewässerung, Düngung und Pflanzenschutzmaßnahmen effizienter und ressourcenschonender machen.
Gleichzeitig bestehen erhebliche technische und interpretative Hürden. Ultrafeine Signale lassen sich leicht durch Umgebungs- elektromagnetische Störungen, Streulicht oder thermische Infrarot-Emissionen von warmem Gewebe überlagern. Reproduzierbarkeit zwischen Laboren erfordert dunkle Kammern mit kontrollierter Temperatur, hochsensible Detektoren wie EMCCD-Kameras, geeignete Spektralfilterung und robuste statistische Auswertung, inklusive Kontrolle von Dunkelstrom, kosmischem Hintergrund und Detektorrandalnoise. Ohne solche Standards besteht die Gefahr, dass Messdaten durch Artefakte verfälscht werden.
Interpretativ muss die Forschung außerdem vorsichtig mit populären Fehlinterpretationen umgehen, die in der Vergangenheit Theorien über Auren oder paranormale Phänomene angefacht haben. Die wissenschaftliche Erklärung sucht physikalisch-chemische Mechanismen wie ROS-vermittelte Chemilumineszenz — nicht übernatürliche Ursachen. Eine klare Kommunikation über das Potenzial und die Grenzen der Methode ist notwendig, um Fehlschlüsse in der Öffentlichkeit zu vermeiden.
Weitere offene Fragen betreffen Spektral- und zeitliche Eigenschaften der UPE: Welche Wellenlängen dominieren unter bestimmten Stressarten? Verändert sich das Emissionsspektrum bei Infektion anders als bei mechanischer Verletzung? Solche Details sind wichtig, um UPE nicht nur als bloße Intensitätsgröße, sondern als informationsreichen Biomarker einsetzbar zu machen. Multispektrale oder zeitaufgelöste Messungen könnten die diagnostische Aussagekraft deutlich erhöhen.
Technologische Verbesserungen sind ebenfalls gefragt. Kühlbare Sensoren mit reduziertem Dunkelstrom, größere Sammeloptiken, photonenzählende Detektoren (SPADs) mit hoher Zeitauflösung und Fortschritte in der Signalverarbeitung (zum Beispiel Rauschunterdrückung durch maschinelles Lernen) könnten die Empfindlichkeit und Anwendbarkeit in realen Umgebungen verbessern. Darüber hinaus sind standardisierte Protokolle für Kalibrierung, Probenvorbereitung und Datenanalyse nötig, damit Ergebnisse zwischen Studien vergleichbar werden.
Expertenkommentar
Dr. Elena Moreno, eine Forscherin im Bereich Biophotonik und Wissenschaftskommunikation, kommentierte: „Diese Studie liefert wichtige experimentelle Daten, die Unterschiede in der UPE zwischen lebendem und nicht-lebendem Gewebe demonstrieren. Die Anwendung von Ganz-Tier-Bildgebung zusammen mit parallelen Pflanzensystemen stärkt die biologische Interpretation. Dennoch wird die Übersetzung dieser Befunde in praktische Diagnostik Verbesserungen beim Umgang mit Signal-zu-Rausch-Verhältnissen und die Entwicklung standardisierter Protokolle über verschiedene Organismen und Bedingungen hinweg erfordern.“
Weitere Fachleute betonen, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit — zwischen Biochemikern, Ingenieuren für Optik und Bildverarbeitung sowie klinischen Anwendern — entscheidend ist. Solche Teams können sowohl Messmethoden optimieren als auch die biologischen Mechanismen hinter den Messsignalen tiefer aufklären. Ein Beispiel für eine sinnvolle Zusammenarbeit wäre die Kombination von UPE- Messungen mit etablierten molekularen Markern für oxidativen Stress (z. B. 8-OHdG, Proteincarbonylierung) in Kontrollstudien, um Korrelation und Kausalität besser abzuschätzen.
Zusammenfassung und Ausblick
Die berichteten Beobachtungen stärken die Idee, dass lebende Zellen ein ultraschwa-ches sichtbares Leuchten aussenden, das mit Stoffwechselaktivität und Zellstress verknüpft ist und nach dem Tod abnimmt. Obwohl das Konzept der Biophotonen in der Fachwelt weiterhin kontrovers diskutiert wird, zeigen sorgfältig kontrollierte Messungen mit empfindlichen Detektoren reproduzierbare Kontraste zwischen lebendem und nicht-lebendem Gewebe bei Tieren und Pflanzen.
Für eine praktische Nutzung — sei es in der Klinik oder in der Landwirtschaft — sind jedoch noch substanzielle technische Fortschritte nötig. Diese betreffen sowohl die Sensortechnik als auch standardisierte Mess- und Auswerteprotokolle sowie weitergehende biologische Validierung. Sollte die Methode weiter validiert werden, könnte UPE-Imaging ein neuartiges, nicht-invasives Werkzeug zur Überwachung zellulärer Gesundheit werden. Bis dahin bleibt es ein vielversprechender Forschungsansatz mit klaren Chancen, aber auch mit bedeutsamen offenen Fragen und Grenzen.
Abschließend ist es wichtig, die vorhandenen Befunde kritisch zu prüfen, interdisziplinäre Validierungen voranzutreiben und realistische Erwartungen an die Anwendbarkeit zu kommunizieren. So lässt sich verhindern, dass berechtigte wissenschaftliche Entdeckungen durch überzogene Versprechungen oder Missverständnisse diskreditiert werden.
Quelle: pubs.acs
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