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Ungewöhnliche Minerale und organische Stoffe in Jezero entdeckt
Der NASA-Rover Perseverance hat in der Bright Angel Formation des Jezero-Kraters eine ungewöhnliche Kombination aus chemischen und mineralogischen Mustern identifiziert, die zu den überzeugendsten potenziellen Biosignaturen auf dem Mars zählen könnten. Die Gesteine enthalten organischen Kohlenstoff zusammen mit Eisen, Schwefel und Phosphor in räumlichen Anordnungen, die an mikrobiell gesteuerte Redoxzyklen auf der Erde erinnern. Solche Kombinationen sind für Geobiologen besonders interessant, weil sie Hinweise darauf liefern können, wie chemische Energie in urzeitlichen, wasserreichen Umgebungen genutzt wurde.
Gesteine in der Bright Angel Formation. Der NASA-Mars-Rover Perseverance nahm dieses Bild mit seiner rechten Mastcam‑Z‑Kamera auf. Mastcam‑Z besteht aus einem Paar Kameras, das hoch auf dem Mast des Rovers montiert ist. Das Bild wurde am 29. Mai 2024 (Sol 1164) um 12:40:40 lokale mittlere Sonnenzeit aufgenommen. Credit: NASA/JPL‑Caltech/ASU
Feldkontext und eingesetzte Analysen
Die Bright Angel Formation liegt im Neretva Vallis‑Kanalsystem innerhalb des Jezero‑Kraterbeckens und besteht überwiegend aus Schlammsteinen und geschichteten Sedimentbänken, die sich in einst stehenden und fließenden Gewässern ablagerten. Solche Ablagerungen dokumentieren wechselnde Feuchtigkeitsverhältnisse und liefern wichtige Informationen über das Klima und die Umweltbedingungen vor Milliarden von Jahren.
Perseverance nutzte spezialisierte Instrumente wie SHERLOC (ein Raman‑ und Fluoreszenzspektrometer) sowie PIXL (ein Röntgenfluoreszenz‑Mikrosonde), um organische Moleküle und feinräumige Mineralverteilungen zu kartieren. SHERLOC detektiert organische Signale durch Raman‑Spektren und UV‑induzierten Fluoreszenz, während PIXL elementare Zusammensetzungen mit hoher räumlicher Auflösung misst; die Kombination beider Methoden ermöglicht eine präzise Zuordnung von organischer Chemie zu mineralogischen Kontexten. Diese synergetische Analyse ist entscheidend, um zwischen rein anorganischen Reaktionen und möglichen biogeochemischen Prozessen zu unterscheiden.
Der Rover erreichte das Bright Angel‑Gebiet, nachdem er ein Dünenfeld durchquert und große Felsblöcke umfahren hatte. Solche Navigationsmanöver sind oft notwendig, um zu empfindlichen Untersuchungsflächen zu gelangen, ohne präparierte Regionen zu kontaminieren oder die Untersuchungsgeräte zu beschädigen. Aktuell untersucht Perseverance die geologischen Besonderheiten dieser Zone systematisch, um die paläo‑Umweltbedingungen auf dem Mars besser zu verstehen und Erkenntnisse zu liefern, die für eine spätere bemannte Erkundung relevant sind. Credit: NASA/JPL‑Caltech

Mineralische Indikatoren und Texturen
Wissenschaftler berichteten über winzige Nodule und sogenannte "Reaktionsfronten" — intern als "Mohnsamen" und "Leopardenflecken" bezeichnet — die in Eisensalzen und sulfidhaltigen Phasen angereichert sind. Diese Partikel weisen eine hohe Konzentration an eisenhaltigem Phosphat (vermutlich Vivianit) und Eisensulfid (vermutlich Greigit) auf. Auf der Erde bilden sich vergleichbare Minerale häufig bei niedrigen Temperaturen in wassergesättigten Sedimenten und sind oft mit mikrobiellen Stoffwechselwegen verknüpft, bei denen organischer Kohlenstoff oxidiert und gleichzeitig Eisen bzw. Sulfat reduziert wird. Solche Minerale können zudem besondere Texturen ausbilden, die durch Diffusions‑ und Redoxgradienten entstehen und Hinweise auf die Geochemie des Ablagerungsmilieus geben.
Die Bildung von Vivianit kann auf lokal reduzierte, phosphatreiche Bedingungen hinweisen, in denen Eisen zweifach vorliegt (Fe2+). Greigit und ähnliche Eisensulfide treten oftmals in Umgebungen auf, in denen Sulfat reduziert wird — ein Prozess, den auf der Erde viele Anaerobier, darunter sulfate‑reduzierende Bakterien, katalysieren. Obwohl mineralogische Ähnlichkeit allein keine Biosignatur ist, erhöht die gleichzeitige räumliche Nähe von organischen Kohlenstoff‑Signalen und redoxempfindlichen Mineralen die Wahrscheinlichkeit, dass biologische Prozesse zumindest eine Rolle gespielt haben könnten.
SHERLOC detektierte eine G‑Band‑Raman‑Signatur, die als organischer Kohlenstoff interpretiert wird; die stärksten Signale stammen aus einer Stelle, die das Team "Apollo Temple" nennt, wo Vivianit und Greigit gemeinsam vorkommen. Der G‑Band ist ein typischer Marker für kohlenstoffbasierte Materialien und kann Informationen über die Struktur (z. B. graphitisch versus amorph) des Kohlenstoffs liefern. Solche Spektren allein beweisen keine biologische Herkunft, geben aber Hinweise auf den Grad der Erhaltung und thermischen Alteration der organischen Substanz.
Dr. Michael Tice, Geobiologe an der Texas A&M und einer der Hauptautoren der in Nature veröffentlichten Studie, bezeichnete die räumliche Koexistenz von organischen Stoffen und redoxsensitiven Mineralen als "sehr überzeugend", betonte jedoch zugleich, dass allein organische Funde nicht als zwingender Beweis für Leben gelten. Er wies darauf hin, dass zusätzliche Linien von Beweisen — etwa Isotopenverhältnisse, mikroskalige Morphologie und komplexe organische Signaturen — notwendig sind, um zwischen biologischen und abiogenen Entstehungswegen zu unterscheiden.
Interpretationen, Einschränkungen und weitere Schritte
Die Studie beschreibt zwei Hauptszenarien: (1) eine anorganische Geochemie erzeugte die beobachteten Mineralzusammenstellungen ohne biologisches Zutun, oder (2) ein mikrobiell‑ähnlicher Redoxkreislauf beeinflusste die Mineralbildung in einer kalten, wasserreichen Umgebung vor mehr als drei Milliarden Jahren. Viele anorganische Eisen‑Schwefel‑Reaktionen benötigen relativ hohe Temperaturen, um effizient abzulaufen; die vom Rover gelieferten Daten zeigen jedoch keine Hinweise darauf, dass diese Gesteine solchen thermischen Belastungen ausgesetzt waren. Dieses Fehlen thermischer Alteration erhöht die Plausibilität, dass niedrigtemperaturige Prozesse, wie sie auch durch mikrobiellen Stoffwechsel bedingt sein können, eine Rolle spielten.
Gleichzeitig sind mehrere abiotische Mechanismen denkbar, etwa die spontane Chemie zwischen gelöstem Eisen, Sulfid und organischen Molekülen in einem sedimentären Milieu, chemische Diagenese bei niedrigen Temperaturen oder die Adsorption organischer Moleküle an mineralische Oberflächen. Moderne Laborexperimente und Modelle zeigen, dass manche dieser Prozesse komplexe Texturen und Mineralphasen hervorbringen können, die an biologische Spuren erinnern. Daher ist ein sorgfältiges Abwägen aller Hypothesen unabdingbar.
Das Team entnahm einen Bohrkern mit der Bezeichnung "Sapphire Canyon" und versiegelte die Probe für eine mögliche Rückführung zur Erde. Die Rückführung repräsentiert die derzeit vielversprechendste Möglichkeit, um mit empfindlichen, großformatigen Laborinstrumenten definitive Tests durchzuführen. Auf der Erde könnten Techniken wie hochauflösende Isotopieanalyse (z. B. mit NanoSIMS), Gaschromatographie‑Massenspektrometrie (GC‑MS), Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) und Synchrotron‑Röntgenmikroskopie eingesetzt werden, um Isotopensignaturen, mikrofossile Strukturen, komplexe organische Verbindungen und feinteilige Mineralogie zu untersuchen. Solche Analysen könnten starke Indizien liefern, um zwischen biologischen und nichtbiologischen Entstehungswegen zu differenzieren.
Außerdem planen die Wissenschaftler, im Gelände weitere systematische Kartierungen durchzuführen, um die räumliche Variabilität der organischen Signale und Mineralphasen zu erfassen. Probenahme unter unterschiedlichen Sedimentlagen, gekoppelt mit Kontextbeobachtungen (Schichtung, Porosität, Textur), erhöht die Chance, aussagekräftige Stichproben zu gewinnen. Langfristig könnte die Kombination aus Rover‑Daten, Probenrückführung und Laboranalytik dazu beitragen, robustere Aussagen über die paläobiologische Bedeutung dieser Fundstelle zu treffen.
Schlussfolgerung
Obwohl die Ergebnisse keine endgültigen Beweise für früheres Leben auf dem Mars darstellen, erfüllen die Funde der Bright Angel Formation die NASA‑Kriterien für "potenzielle Biosignaturen" und bringen die Fundstelle als vorrangiges Ziel für eine Probenrückführung in Stellung. Die Kombination aus organischem Kohlenstoff und redoxsensitiven Mineralen liefert eine überzeugende, aber noch nicht abschließende Signalkette, die weiter untersucht werden muss.
Die Rückführung der Kernprobe bleibt der direkteste Weg, um abschließend zu klären, ob der Mars einst mikrobielle Ökosysteme beherbergte, die Eisen‑ und Schwefelchemie ähnlich wie frühe Lebensgemeinschaften auf der Erde nutzten. Sollte sich herausstellen, dass biotische Prozesse relevant waren, hätte dies weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis der Entstehung von Leben und seine potentiellen Verbreitung im Sonnensystem. Unabhängig vom Ausgang liefert die Erforschung der Bright Angel Formation wertvolle Einblicke in die geochemische Evolution des Mars und stärkt die Wissenschaftsargumentation für zukünftige missionelle Investitionen in Probenrückführung und bemannte Exploration.
Quelle: scitechdaily
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