6 Mio. Jahre altes Eis aus Allan Hills zeigt Klima

6 Mio. Jahre altes Eis aus Allan Hills zeigt Klima

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Wissenschaftler, die im Allan Hills-Gebiet der Antarktis bohrten, haben Gletschereis und Lufteinschlüsse geborgen, die auf rund 6 Millionen Jahre datiert werden können — die ältesten bisher direkt datierten Eis- und Atmosphärenproben von der Erde. Diese Proben, konzentriert in blauem Eis nahe der Oberfläche, eröffnen eines der klarsten Fenster auf klimaskalige Bedingungen vom späten Miozän bis weit ins Pliozän hinein. Solche direkten Archive liefern seltene, empirische Daten, die helfen, Modelle zur Klimasensitivität und zur Entwicklung von Eisschilden über geologische Zeiträume zu überprüfen.

Warum Allan Hills eine seltene Zeitkapsel ist

Die Antarktis ist ein außergewöhnliches Archiv, weil sich Schneeschichten und Eis kontinuierlich aufbauen und dabei Luft, Staub und chemische Signaturen einschließen. Doch Allan Hills ist selbst in der Antarktis ungewöhnlich. Dort entfernen starke katabatische Winde in Verbindung mit Oberflächensublimation neuen Schnee, wodurch älteres, komprimiertes Eis wieder näher an die Oberfläche gelangt. Über lange Zeiträume haben diese Prozesse ausgedehnte Bänder von Blaueis entstehen lassen — dichtes, kristallreiches Eis, das rotes Licht absorbiert und blau erscheint. Dieses Blaueis ist key für die Konservierung von sehr altem Material, weil es die dynamische Eisströmung weitgehend stoppt und Schichten, die andernorts tief im Eis überlagert würden, wieder freilegt und für Bohrungen zugänglich macht.

Die genauen Bedingungen, die es ermöglichen, dass so altes Eis so nahe an der Oberfläche erhalten bleibt, werden weiterhin untersucht, erklärt Sarah Shackleton. Es ist offenbar eine Kombination aus Geländeformationen, beständigen katabatischen Winden und extremer Kälte, die den Gletscherfluss effektiv hemmt und frische Ablagerungen abträgt. Zusätzlich spielen lokale Faktoren wie die Neigung der Moränen, Subglazialtopografie und saisonale Variabilität eine Rolle. Solche lokalen Erhaltungsbedingungen sind wichtig für die Suche nach weiteren Stellen mit potenziell ebenso alten Aufzeichnungen.

Der Eisbohrkern, aus dem Luft eingeschlossen wurde, die vor 6 Millionen Jahren gefangen wurde.

Wie das Team älteres Eis als je zuvor datierte

Das von der National Science Foundation unterstützte COLDEX-Projekt, geleitet von der Glaziologin Sarah Shackleton vom Woods Hole Oceanographic Institution, bohrte drei Kerne in Allan Hills und erreichte Tiefen von etwa 150, 159 und 206 Metern (492, 522 und 676 Fuß). Vor dem Feldzug rechnete das Team mit ungewöhnlich altem Eis, möglicherweise bis ins Pliozän (das vor etwa 2,6 Millionen Jahren endete), doch die Datierungsergebnisse übertrafen die Erwartungen deutlich. Die Feldarbeiten erforderten sorgfältige Logistik, darunter Temperatur- und Scherprofilmessungen, saubere Probenahmeprotokolle zur Vermeidung von Kontamination und detaillierte Dokumentation der Schichtenfolge zur Kontextualisierung jeder Probe.

Argon-Isotopen-Datierung: direkte Alter, keine Schätzungen

Zur Altersbestimmung nutzten die Forscher Argon-Isotopenanalysen an mikroskopischen Lufteinschlüssen. Anders als stratigraphische Korrelation oder indirekte Proxies misst diese Methode die Isotopenverhältnisse der Edelgase, die im Eis selbst eingeschlossen sind, und liefert damit direkte Alterseinschränkungen. Bei den tiefsten Proben ergaben sich Alter nahe 6 Millionen Jahren — ein Platz im späten Miozän — während flachere Proben jüngere Altern lieferten, die das Ende des Miozäns und den Übergang ins Pliozän abdecken. Die Argon-Isotopenanalyse erfordert hochpräzise Massenspektrometrie und umfangreiche Kalibrierung, um atmosphärische und instrumentelle Effekte zu korrigieren; diese technischen Details stärken die Verlässlichkeit der Altersangaben und sind zentral für die Aussagekraft der Proben als Referenzpunkte für die Atmosphärenentwicklung.

Was die Isotope über das antike Klima verraten

Nach der Datierung führten die Forscher Sauerstoffisotopen-Analysen am Eis durch, um die Temperaturverhältnisse zu schätzen, als der Schnee ursprünglich fiel. Die Sauerstoffisotope im Wassermolekül (insbesondere das Verhältnis von 18O zu 16O, formal als δ18O angegeben) variieren mit der Temperatur und mit Prozessen im globalen Wasserkreislauf; durch das Messen dieser Verhältnisse lassen sich frühere regional- und globalklimatische Bedingungen ableiten. Diese Isotopenprofile sind ein zentraler Proxy in der Paläoklimatologie, weil sie Verdunstungs-, Transport- und Kondensationsprozesse sowie Eisbedeckung widerspiegeln.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Vor etwa 6 Millionen Jahren scheint die Antarktis rund 12 °C wärmer gewesen zu sein als heute. Statt eines abrupten Wechsels von warm zu kalt zeigt der Übergang zum modernen antarktischen Klima einen graduellen Verlauf über das beprobte Intervall. Diese langsame Abkühlung hat wichtige Implikationen dafür, wie Eisschilde auf langfristige Veränderungen von Treibhausgaskonzentrationen und Milanković-orbitalen Zyklen reagieren. Eine um etwa ein Dutzend Grad erhöhte mittlere Temperatur korreliert wahrscheinlich mit reduzierter Eisbedeckung, veränderten Strömungs- und Niederschlagsmustern sowie global höheren Meeresspiegeln — Faktoren, die auch für heutige Projektionen von Interesse sind.

Allan Hills, Antarktis

Warum diese Ergebnisse für Paläoklima und zukünftige Projektionen wichtig sind

Die Gewinnung direkt datierter Luft aus dem Miozän ermöglicht es Wissenschaftlern nun, Modelle zur atmosphärischen Zusammensetzung und zur Klimasensitivität mit echten, uralten Atmosphärenproben zu testen. Die eingeschnürten Lufteinschlüsse — trotz ihrer Kompression in Eiskristallen häufig nicht als große sichtbare Blasen erkennbar — enthalten Edelgase und Treibhausgase, die ein Abbild der damaligen Erdatmosphäre bewahren. Solche Proben liefern essentielle Validierungspunkte für CO2-, Methan- und N2O-Rekonstruktionen und helfen, Unsicherheiten in Modellen zu reduzieren.

Durch präzise Messungen von CO2, Methan und weiteren Tracern in diesen Proben können Forscher bestimmen, welche Konzentrationen das wärmere Klima vor 6 Millionen Jahren gesteuert haben und wie schnell sich die Atmosphäre veränderte, als die Erde ins Pliozän überging. Diese empirische Basis verbessert Projektionen, wie moderne Zunahmen von Treibhausgasen langfristig in Temperaturänderungen und Veränderungen der Eisschilde umgesetzt werden könnten. Zudem erlauben die Proben Vergleiche mit anderen Proxy-Datensätzen (z. B. marine Sedimentarchive), was die Rekonstruktion von Ursachen und Rückkopplungen im Klimasystem stärkt.

Die Forschenden beim Heben des Bohrers, mit dem die Kerne gewonnen wurden

Nächste Schritte: mehr Bohrungen und zusätzliche chemische Hinweise

COLDEX-Direktor Ed Brook (Ohio State University) sagt, das Team plane bereits eine größere, mehrjährige Kampagne in Allan Hills, um die Aufzeichnung noch tiefer zu verlängern und mehr atmosphärische Proben über einen erweiterten Zeitrahmen zu sammeln. Das vorgeschlagene Programm, das für den Zeitraum 2026 bis 2031 anvisiert ist, zielt darauf ab, Treibhausgaskonzentrationen sowie isotopische Veränderungen über Millionen von Jahren zu kartieren. Damit sollen die Grenzen natürlicher Variabilität und die treibenden Faktoren der langfristigen Abkühlung bis ins Pleistozän besser eingeengt werden.

Neben den Messungen der Treibhausgase wird künftige Arbeit eingeschlossene Partikel, radiogene Isotope und Spurengase analysieren, um ozeanische Zirkulationsmuster, Ausdehnung der Eisschilde und vulkanische Einflüsse während des Miozän–Pliozän-Übergangs zu rekonstruieren. Analytische Methoden umfassen hochauflösende Massenspektrometrie, Gaschromatographie gekoppelt mit Isotopenmessung, sowie Edelgas-Analysen zur Bestimmung von physikalischen Bedingungen bei Einlagerung. Solche multiproxy-Ansätze erhöhen die Aussagekraft der Archive, da sie unabhängige Belege für Temperatur, Treibhausgasgehalte, vulkanische Aerosole und biologische Aktivität liefern.

Expert Insight

Dr. Elena Moreno, eine Paläoklimatologin, die nicht zum COLDEX-Feldteam gehört, kommentiert: "Direkt datierte Luft von vor 6 Millionen Jahren ist ein echter Wendepunkt. Sie verankert Modellsimulationen an realen atmosphärischen Zusammensetzungen statt an nur abgeleiteten Werten. Solche Ground-Truth-Daten sind selten und äußerst wertvoll, um sowohl vergangene als auch zukünftige Klimasensitivitäten zu verstehen."

In ihrer Gesamtheit unterstreichen die Allan Hills-Kerne, wie lokale Bedingungen überraschend alte Klimarekorde konservieren können — ein Hinweis darauf, wie wichtig die gezielte Suche nach ungewöhnlichen Erhaltungsumgebungen ist. Für Feldwissenschaftler bleibt eine praktische Erkenntnis bestehen: Die wertvollsten Archive findet man oft dort, wo die Bedingungen unwirtlich erscheinen — an Orten, an denen Wind, extreme Kälte und Zeit zusammenwirken, um die Erinnerung der Erde über Millionen von Jahren zu bewahren.

Quelle: sciencealert

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