Welches Ereignis erzeugte wirklich den lautesten Ton der Erde?

Welches Ereignis erzeugte wirklich den lautesten Ton der Erde?

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Menschen fragen häufig, welches einzelne Ereignis den lautesten Ton produziert hat, der jemals auf der Erde aufgezeichnet wurde. Die kurze Antwort lautet: es kommt darauf an. „Laut“ kann bedeuten: der höchste Druck am Quellenort, der höchste Schalldruckpegel in der Nähe menschlicher Ohren oder der am deutlichsten global nachweisbare akustische Impuls. Naturkatastrophen, kosmische Einschläge und sogar Laborexplosionen konkurrieren um diesen Titel – doch alle werden unterschiedlich gemessen und zeigen die Grenzen unserer Messinstrumente und unserer Begriffe.

Historische Anwärter: Krakatau, Tunguska und Hunga Tonga

Wenn Historiker und Wissenschaftler die lautesten bekannten Ereignisse aufführen, stechen drei besonders hervor. Der Ausbruch des Krakatau (Krakatoa) 1883 in Indonesien, der Tunguska‑Luftstoß über Sibirien 1908 und die Unterwassereruption von Hunga Tonga–Hunga Ha'apai im Januar 2022 erzeugten gewaltige Druckwellen, die sich rund um den Globus ausbreiteten und in vielen Messdaten nachweisbar sind.

Bild: Der Unterwasserausbruch von Hunga Tonga–Hunga Ha'apai erzeugte einen der lautesten in der Geschichte aufgezeichneten Töne.

Krakatau ist das klassische Beispiel, das die meisten kennen. Zeitgenössische Berichte beschrieben, dass die Explosion über 3.000 Kilometer entfernt gehört wurde; Barometer weltweit registrierten die Druckpulsation; und Seeleute in der Nähe der Insel gaben später an, der Schall könne Trommelfelle zerreißen. Moderne Rekonstruktionen schätzen, dass die Krakatau‑Explosion effektive Pegel in der Nähe von 310 Dezibel erreichte – eine nahezu unvorstellbare Zahl – und dass sich ihre Schockwelle angeblich mehrfach um den Planeten herum ausbreitete. Solche Schätzungen beruhen auf einem Abgleich historischer Barogramme, Zeugenaussagen und physikalischer Modellierungen, wobei Unsicherheiten in den Quellen und Messmethoden verbleiben.

Tunguska stellt einen anderen Typ von Kandidat dar: 1908 explodierte ein schnell fliegendes Meteorid oder ein kleiner Komet in der Atmosphäre über der sibirischen Taiga und fällte Wälder auf Hunderten von Quadratkilometern. Die freigesetzte Energie wurde auf das Niveau großer konventioneller Explosionen geschätzt, vergleichbar mit vielen Megatonnen TNT, und an weit entfernten Observatorien wurden Drucktransienten registriert, die mit einem sehr lauten Knall konsistent sind. Rekonstruierte Spitzenintensitäten setzen Tunguska in etwa die gleiche Größenordnung wie Krakatau – manche Schätzungen liegen bei rund 300–315 Dezibel – doch auch hier gab es zur damaligen Zeit keine modernen Instrumente nahe genug am Geschehen, um den Quellenpeak direkt zu messen; die Werte sind daher rückgerechnet und modellabhängig.

In der modernen Ära, mit dichten globalen Überwachungsnetzen und digitalen Messdaten, hebt sich ein Ereignis besonders hervor: die Unterwassereruption von Hunga Tonga–Hunga Ha'apai im Januar 2022. Diese Explosion erzeugte eine mächtige akustische und Schockwelle, die die Erde mehrfach umrundete und von Instrumenten – und in einigen Fällen sogar von Menschen – Tausende Kilometer entfernt wahrgenommen wurde, von Alaska bis nach Mitteleuropa. Die Ereignisdaten stammen aus Barometern, Infraschallnetzen, Satellitenbeobachtungen und Wetterstationen, wodurch ein sehr detailliertes, globales Bild möglich wurde.

Bild: Ein Blick auf den Krakatau in Indonesien; sein Ausbruch von 1883 wird oft zu den lautesten Tönen in den Aufzeichnungen gezählt.

Wie definieren und messen Wissenschaftler „lauteste“ Ereignisse?

Ein Teil der Verwirrung liegt in der Definition. Dezibel (dB) sind ein logarithmisches Maß für den Schalldruckpegel bezogen auf einen Referenzdruck. Für Luft wird als Referenz meist p0 = 20 µPa verwendet, und die Umrechnung lautet typischerweise: Schalldruckpegel (dB) = 20 · log10(p / p0). Das menschliche Hören reicht ungefähr von 0 dB (Hörschwelle) bis etwa 120–140 dB (Schmerzgrenze, abhängig von Frequenz und Dauer). Extreme Ereignisse erzeugen jedoch Druckpulse und Schockwellen, die sich nicht wie Alltagsgeräusche verhalten. In Luft beginnt man bei etwa 194 dB damit, dass normale akustische Wellen Schockfronten bilden – scharfe, nichtlineare Drucksprünge, ähnlich denen, die entstehen, wenn Objekte sich schneller als die Schallgeschwindigkeit bewegen.

Für historische Eruptionen und Explosionen rekonstruieren Forscher häufig Quellendrucke aus entfernten Instrumenten (Barometer, Infraschallmesser) und Augenzeugenberichten. Bei Krakatau zeichneten Barographen rund um den Globus die atmospheriche Druckwelle auf; bei Tunguska wurden seismische und Druckdaten herangezogen, um später die Energieabgabe zu schätzen. Hunga Tonga wurde digital von modernen Infraschallnetzen, Satelliten und Wetterstationen erfasst, was ein viel klareres globales Bild ermöglichte und die Quantifizierung der Ereignisdynamik erleichterte.

Dezibel, Pascal und was sie bedeuten

  • Dezibel (dB) messen relativen Schalldruck auf einer logarithmischen Skala. Kleine Änderungen in dB entsprechen großen Druckverhältnissen; ein Unterschied von 20 dB entspricht beispielsweise einem Faktor von 10 im linearen Schalldruck.
  • Druck kann auch in Pascal (Pa) angegeben werden; die Umrechnung zwischen Pa und dB hängt vom Referenzdruck und davon ab, ob es sich um eine normale akustische Welle oder um eine Schockwelle handelt. Für Luft ist der Referenzdruck für 0 dB in der Regel 20 µPa.
  • Bei extremen Drücken verändert sich das physikalische Verhalten des Signals (Schockdominiert, mit Überschallströmungen) und einfache dB‑Vergleiche werden irreführend. Ein berichteter Wert von 270 dB in einem Vakuumexperiment zum Beispiel lässt sich nicht direkt in ein für Menschen hörbares Geräusch übersetzen.

Moderne Messungen und Laborexperimente

Die Eruption von Hunga Tonga 2022 liefert den klarsten modernen Referenzfall. Da Wissenschaftler das Ereignis mit globalen Netzwerken aus Barometern und Infraschallsensoren erfassten, konnten sie den Druckanstieg in verschiedenen Entfernungen quantifizieren. Manche Stationen, nur einige Dutzend Kilometer vom Krater entfernt, registrierten starke Überdrücke – eine nahegelegene wissenschaftliche Station in etwa 68 Kilometern Entfernung maß zum Beispiel einen ungefähren Drucksprung von +1.800 Pascal. Umgerechnet in einen äquivalenten dB‑Wert ergeben sich Werte in den mittleren 200ern, doch Spezialisten weisen darauf hin, dass dieser Vergleich unvollständig ist: nahe der eruptiven Quelle verhielt sich das Signal eher wie ein durch Explosion getriebener Hochgeschwindigkeitsluftstrom als wie ein konventionell hörbarer Schall.

Wissenschaftler versuchen außerdem, extreme Druckpulse im Labor nachzubilden. In einem bemerkenswerten Experiment wurde ein Röntgenlaser verwendet, um einen winzigen Wasserstrahl zu verdampfen; dadurch entstand eine plötzliche Mikroexplosion mit einem geschätzten Druckspitzenwert nahe 270 dB. Numerisch ist das lauter als viele historische Raketenstarts (die Saturn‑V‑Rakete wurde etwa auf rund 203 dB in unmittelbarer Nähe geschätzt), doch das Laborexperiment fand in einer Vakuumkammer statt. Ohne ein dichtes Medium (Luft, Wasser oder feste Materialien), das die Welle als gewöhnlichen Schall trägt, war der Druckimpuls für menschliche Ohren praktisch stumm – eher ein reiner mechanischer Impuls als eine Schallwelle, die wir hören würden.

Milton Garcés, Direktor des Infrasound Laboratory an der University of Hawai‘i, fasste diese Unterscheidung zusammen: Solche Druckspitzen in nahezu vakuumartigen Bedingungen sind nicht dasselbe wie die akustische Erfahrung einer Explosion in Atmosphäre oder Wasser. Kurz gesagt: Amplitude allein ist nicht gleich hörbare Lautstärke. Darüber hinaus spielen Frequenzinhalt, Impulsdauer, Distanz und das übertragende Medium eine zentrale Rolle dabei, wie ein Ereignis wahrgenommen und welche Schäden es anrichten kann.

Menschliches Hören, Risiko und Kontext

Für praktische Zwecke – also was Menschen hören können und was das Gehör schädigt – sind jene Zahlen relevant, die in Atmosphäre und in Hörentfernung auftreten. Die meisten Menschen ertragen sehr kurze Impulse bis ungefähr 140 dB; Pegel darüber sind schmerzhaft und können sofortige Schäden verursachen. Gesundheitsempfehlungen weisen darauf hin, dass längere Expositionen ab etwa 85 dB oder höher langfristig zu Hörverlust führen können; 14 Minuten bei 100 dB gelten bereits als potenziell schädlich, und selbst wenige Minuten in der Nähe von 110 dB bergen ein Risiko für Gehörschäden. Im Vergleich dazu ist eine Vakuumexplosion oder ein supersonischer Schock direkt an einer Vulkanquelle kein alltagsrelevanter Maßstab für den Hördauer‑ oder Sicherheitskontext.

Bei der Bewertung, welches Ereignis also „gewinnt“, kommt es auf die Frage an: Wenn man fragt, welche Explosion den größten global detektierten akustischen Impuls mit modernen Instrumenten hervorbrachte, liegt Hunga Tonga (2022) vorne – es wurde eindeutig und digital rund um den Globus nachgewiesen. Wenn man hingegen fragt, welches einzelne Ereignis wahrscheinlich den höchsten Druck am Quellenort erzeugte, bleiben Krakatau (1883) und Tunguska (1908) starke historische Anwärter. Ihre Spitzenwerte sind jedoch rekonstruiert und modellabhängig, nicht direkt mit zeitgenössischen Instrumenten gemessen.

Fachliche Einordnung

Dr. Rebecca Alvarado, Akustikphysikerin in der Caltech Atmospheric Dynamics Group, bietet eine einordnende Perspektive: „Wenn Leute fragen ‚Was war der lauteste Ton aller Zeiten?‘, verwechseln sie oft die von uns wahrgenommene Lautstärke mit der energetischen Größe eines Druckimpulses. Krakatau und Tunguska waren gewaltige Energiefreisetzungen; sie erzeugten global nachweisbare Schockwellen. Hunga Tonga hingegen wurde mit modernen Netzwerken aufgezeichnet und zeigt, wie ein einzelnes Ereignis klar über den gesamten Planeten verfolgt werden kann. Für Wissenschaftler ist Letzteres wichtig, weil wir es quantifizieren können. Für Historiker und die Öffentlichkeit behalten Augenzeugenberichte über zersplitterndes Glas und angeblich geplatzte Trommelfelle bei Krakatau dramatische Bedeutung.“

Solche Experteneinschätzungen helfen, die Beziehung zwischen physikalischen Messgrößen (Dezibel, Pascal), instrumenteller Nachweisbarkeit (Barometer, Infraschallnetzwerke, Satelliten) und menschlicher Erfahrung (Schmerz, Hörverlust, Wahrnehmung) zu klären. Zusätzlich sind geophysikalische Modelle, Atmosphärenphysik und akustische Ausbreitungsrechnung notwendig, um die Daten sinnvoll zu interpretieren und sie in einen Kontext für Risikoabschätzung und öffentliche Information zu stellen.

Schlussfolgerung

Es gibt keine eindeutige, universal gültige Antwort auf die Frage nach „dem lautesten Ton der Geschichte“. Der Sieger hängt vom gewählten Maßstab ab: Rohquellendruck, für Menschen hörbare Intensität in Distanz oder Nachweisbarkeit durch moderne Netzwerke. Krakatau (1883) und Tunguska (1908) bleiben ikonische historische Kandidaten für rohe Energieabgabe; Hunga Tonga (2022) ist das klarste moderne Beispiel, weil das Ereignis von globalen Instrumentennetzen aufgezeichnet und analysiert wurde. Laborexplosionen können numerisch extreme Spitzenwerte erreichen, doch ohne ein tragendes Medium für konventionellen Schall übersetzen sich diese Werte nicht in hörbare Lautstärke.

Das Verständnis solcher Ereignisse erfordert eine Kombination aus historischen Aufzeichnungen, zeitgenössischer Instrumentierung und einer sorgfältigen Interpretation dessen, was Dezibel‑Zahlen tatsächlich bedeuten. Letztlich lädt die Frage nicht nur zur Neugier über Lärm ein, sondern auch zu einer tieferen Auseinandersetzung damit, wie Energie durch die Atmosphäre transportiert wird und wie Menschen extreme physikalische Ereignisse messen, wahrnehmen und von ihnen betroffen werden. Für Forscher, Notfallplaner und die Öffentlichkeit bleibt es wichtig, zwischen physikalischer Spitzenenergie, hörbarer Lautstärke und den konkreten Auswirkungen auf Gesundheit und Infrastruktur zu unterscheiden und diese Begriffe präzise zu kommunizieren.

Quelle: smarti

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