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Am 2. Juli 2025 registrierten Astronominnen und Astronomen einen Gammastrahlenausbruch (Gamma-Ray Burst, GRB), wie er noch nie zuvor beobachtet wurde: GRB 250702B erzeugte wiederholte, hochenergetische Ausbrüche, die sich über mehr als sieben Stunden hinzogen. Dieses Ereignis, jetzt der längste je dokumentierte GRB, ließ sich zu einer massiven, extrem staubreichen Galaxie zurückverfolgen und zwang Forscherinnen und Forscher, ihre Modelle zu überdenken, wie die gewaltigsten Explosionen im Universum ablaufen können.
How the record was made: a worldwide observational effort
Die Erstdetektion von GRB 250702B erfolgte durch das Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA, das anstelle des bei den meisten GRBs üblichen kurzen, einzigen Blitzes eine lang anhaltende, intermittierende Gammastrahlung registrierte. Nachfolgende Röntgenbeobachtungen mit weltraumbasierten Instrumenten verengten die Himmelsposition und lösten eine schnelle, koordinierte Beobachtungskampagne von Observatorien rund um den Globus aus. Diese Kombination aus Satellitendetektion und schnellen Folgebeobachtungen war zentral, um die zeitliche Struktur und wiederkehrende Flare-Episoden zu erfassen.
Bodenbasierte Teleskope spielten dabei eine entscheidende Rolle. Frühe Infrarotbeobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der European Southern Observatory bestätigten, dass die Quelle weit außerhalb der Milchstraße liegt und beseitigten damit frühere Unklarheiten darüber, ob es sich um ein lokales oder extragalaktisches Phänomen handelt. Ab etwa 15 Stunden nach dem ersten Ausbruch und über einen Zeitraum von rund 18 Tagen verfolgte ein Team unter Leitung von Jonathan Carney (University of North Carolina at Chapel Hill) das verblassende Nachglühen (Afterglow) mit drei leistungsfähigen bodengebundenen Teleskopen: dem NSF Víctor M. Blanco 4-Meter-Teleskop am Cerro Tololo sowie den Zwillingsinstrumenten Gemini North und Gemini South (jeweils 8,1 Meter). Diese Datensätze wurden später durch Beobachtungen mit dem Keck-Observatorium und durch archivalische Daten von Hubble sowie durch Funk- und Röntgenmessungen ergänzt, um ein möglichst vollständiges, multiwellenlängenbasiertes Bild zu erhalten.

Diese künstlerische Darstellung zeigt einen schnellen Materialjet, der aus einer Quelle gestartet wird, die in einer sehr staubreichen Galaxie eingebettet ist, und visualisiert damit GRB 250702B — den längsten jemals beobachteten Gammastrahlenausbruch. Diese kraftvolle, extragalaktische Explosion wurde erstmals am 2. Juli 2025 entdeckt und zeigte wiederholte Ausbrüche über mehr als sieben Stunden. Credit: NOIRLab/NSF/AURA/M. Garlick
Tracking the afterglow and peering through dust
Gammastrahlenausbrüche emittieren in der Regel einen sofortigen, kurzzeitigen Gamma-Blitz gefolgt von einem Nachglühen, das sich über Röntgen-, optische, Infrarot- und Radiowellenlängen hinweg abschwächt. Das Nachglühen dient als wichtiges Labor zur Untersuchung der Energie des Ausbruchs, der Struktur des Jets und des lokalen Umfelds. Bei GRB 250702B bestand die besondere Herausforderung darin, dass ein großer Teil der Strahlung durch Staub absorbiert oder verborgen wurde, sodass sichtbare Wellenlängen nur eingeschränkte Informationen lieferten.
Instrumente im sichtbaren Licht hatten Schwierigkeiten, die Wirtsgalaxie oder das Nachglühen eindeutig zu detektieren. Gemini North erzielte die einzige nahsichtbare Aufnahme der Wirtsgalaxie, benötigte dafür jedoch nahezu zwei Stunden Integrationszeit, um das schwache Licht durch die intervenierende Staubschicht herauszuarbeiten. Das Weitfeld-Infrarotinstrument NEWFIRM am Blanco-Teleskop und die Dark Energy Camera (DECam) lieferten ergänzende Infrarot- und Weitfelddaten, während die Gemini Multi-Object Spectrographs (GMOS) an Gemini North und South spektrale Informationen beisteuerten. Die Kombination dieser bodengestützten Messungen mit weltraumgestützten Daten erlaubte es dem Team, die Abklingkurve des Afterglows präzise zu kartieren und physikalische Eigenschaften des Ausbruchs einzugrenzen, etwa die zeitliche Entwicklung der Helligkeit und die spektrale Energieverteilung.
Dieses Video beginnt mit dem Sternfeld um die Wirtsgalaxie von GRB 250702B — dem längsten Gammastrahlenausbruch, den Astronomen je beobachtet haben. Credit: International Gemini Observatory/CTIO/NOIRLab/DOE/NSF/AURA/N. Bartmann (NSF NOIRLab) Bildverarbeitung: M. Zamani & D. de Martin (NSF NOIRLab) Musik: Stellardrone – Billions and Billions
Die Analyse zeigt, dass die Ausbruchregion von einer sehr dichten Staubsäule umgeben ist. Praktisch bedeutet das, dass sichtbare Photonen gestreut oder absorbiert werden und Beobachtungen im Infrarot oder bei längeren Wellenlängen daher entscheidend sind, um Informationen durch den Staub hindurch zu erhalten. Die Daten deuten darauf hin, dass der größte Teil der Extinktion nicht in unserer Milchstraße lokalisiert ist; vielmehr scheint die Abschwächung der Strahlung innerhalb der Wirtsgalaxie des GRB stattzufinden. Diese Wirtsgalaxie weist nach den Beobachtungen eine ungewöhnlich hohe stellare Masse und große Staubmengen auf im Vergleich zu typischen GRB-Wirtsgalaxien. Eine dichte, staubige Struktur entlang der Sichtlinie verhüllt offenbar den Explosionsort und erschwert Messungen, die sonst Hinweise auf die Natur des Progenitors (Urspungsobjekts) liefern würden.
What the data say: a relativistic jet in a dense environment
Aus zeitlichen Informationen, der Entwicklung der Helligkeit und spektralen Datensätzen interpretiert das Team die initiale Gamma-Emission als Produkt eines schmalen, relativistischen Jets, der in dichte Umgebungsmaterie einschlägt. Relativistische Jets sind Teilchenströme, die auf Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden; wenn ein solcher Jet auf das umgebende Gas trifft, entstehen Schockfronten, die zunächst Gammastrahlung erzeugen und anschließend ein Nachglühen über mehrere Wellenlängen hinweg verursachen. Die lang andauernde und wiederholte Natur der hochenergetischen Abstrahlung von GRB 250702B spricht entweder für eine verlängerte Zentralmaschinen-Aktivität (ein länger arbeitender Motor im Zentrum des Systems) oder für wiederholte Episoden von Energiezufuhr in den Jet, etwa durch intermittierende Akkretionsphasen.
Das Verständnis der Wirtsgalaxie und ihres Umfelds ist ebenso wichtig wie die Charakterisierung des Jets selbst. Auffällig sind die hohe stellare Masse der Wirtsgalaxie und ihr starker Staubgehalt: Viele langdauernde GRBs treten in relativ massenschwachen, staubarmen Sternentstehungsgalaxien auf. Die hier beobachtete dichtere, stärker abgeschwächte Umgebung legt nahe, dass der Progenitor in einer ungewöhnlichen Nische eingebettet war. Diese Umweltbedingungen setzen theoretische Modelle stark unter Druck: Jede plausible Erklärung muss sowohl eine anhaltende Gamma-Emission und die Produktion eines relativistischen Jets ermöglichen als auch mit hoher lokaler Extinktion vereinbar sein.

Links: Das Sternfeld um die Wirtsgalaxie von GRB 250702B — dem längsten Gammastrahlenausbruch, den Astronomen je beobachtet haben. Rechts: Nahaufnahme der Wirtsgalaxie aufgenommen mit dem Gemini-North-Teleskop. Dieses Bild ist das Ergebnis von über zwei Stunden Beobachtungszeit; trotzdem erscheint die Galaxie aufgrund der großen Staubmenge extrem schwach. Credit: International Gemini Observatory/CTIO/NOIRLab/DOE/NSF/AURA Bildverarbeitung: M. Zamani & D. de Martin (NSF NOIRLab)
Possible origins: why GRB 250702B defies tidy classification
Seit die ersten Gammastrahlenausbrüche in den 1970er-Jahren katalogisiert wurden, haben Astronomen mehrere Quellklassen entwickelt. Kurzdauernde GRBs werden im Allgemeinen mit Verschmelzungen kompakter Objekte (wie Neutronenstern-Doppelsternen) in Verbindung gebracht, während langdauernde GRBs häufig mit dem Kollaps massereicher Sterne verknüpft sind. Eine kleine Zahl sehr lang andauernder Ereignisse (über Tausende von Sekunden) wurde als möglicher Ausdruck exotischer Kanäle diskutiert, darunter der Kollaps eines blauen Überriesen, tidal disruption events (TDEs), bei denen ein Stern von einem massereichen Schwarzen Loch zerrissen wird, oder die Geburt eines Magnetars. GRB 250702B passt jedoch nicht sauber in diese etablierten Kategorien und fordert eine differenzierte Betrachtung.
Auf Grundlage der multiwellenlängigen Beobachtungen umreißen die Forschenden drei realistische Szenarien, die mit den Daten vereinbar sind und die wiederholten, mehrstündigen Gammastrahlenausbrüche erklären könnten:
- Eine Verschmelzung eines kompakten Objekts (etwa eines Schwarzen Lochs) mit einem bereits wasserstoffarmen Stern, der eine heliumreiche Hülle besitzt. Solch ein Ereignis könnte eine verlängerte Akkretionsphase und damit anhaltende Jet-Aktivität auslösen, wodurch wiederkehrende Flares entstehen.
- Ein mikro-tidal-disruption event, bei dem ein Stern oder ein substellarer Körper (beispielsweise ein massereicher Planet oder ein Brauner Zwerg) von einem stellaren massigen kompakten Objekt (Neutronenstern oder kleines Schwarzes Loch) zerrissen wird. Mehrere diskrete Akkretionsepisoden würden dann intermittierende Gamma-Flare erzeugen.
- Eine Gezeitenzerreißung (TDE) durch ein intermediäres Schwarzes Loch (intermediate-mass black hole, IMBH) mit einer Masse von etwa 10^2–10^5 Sonnenmassen, bei der ein Stern beim Einfall einen relativistischen Jet startet. Sollte sich dieses Szenario bestätigen, wäre es die erste direkte Beobachtung eines Jets, der von einem IMBH beim Konsumieren eines Sterns ausgeht — ein Befund mit weitreichenden Konsequenzen für die Astrophysik von Schwarzen Löchern.
Alle drei Szenarien können plausibel ein ausgedehntes, mehrere Stunden andauerndes Gammasignal erzeugen und sind mit einer staubreichen, massereichen Wirtsgalaxie vereinbar. Entscheidende Unterschiede zwischen den Modellen betreffen erwartete Signaturen in Spätzeiten: etwa die Radio-Leuchtkraft eines späteren, sich ausbreitenden Jets, charakteristische Linien in tiefen Spektren, oder das Fehlen bestimmter Nukleosyntheseprodukte, die auf ein sterngestütztes Explosionsszenario hinweisen würden. Bislang bevorzugt keines der Modelle eindeutig die Datenlage; zusätzliche Spätzeitbeobachtungen, empfindlichere Radiobeobachtungen und tiefe Spektroskopie zur präzisen Bestimmung von Rotverschiebung (Redshift) und chemischer Zusammensetzung der Wirtsgalaxie sind notwendig, um die Ursprünge zu unterscheiden.
Expert Insight
„GRB 250702B ist ein außergewöhnliches Labor“, erklärt Dr. Elena Moreno, Astrophysikerin, die nicht an der Studie beteiligt war. „Seine Dauer und die staubreiche, massereiche Wirtsgalaxie zwingen uns dazu, Szenarien in Erwägung zu ziehen, die wir bei den meisten GRBs üblicherweise ausschließen. Sollte der Jet tatsächlich von einem intermediären Schwarzen Loch stammen, würden wir ein Phänomen beobachten, das die Physik stellaren und supermassereichen Schwarzer Löcher verbindet — das wäre außergewöhnlich.“
„Auf operativer Ebene zeigt dieses Ereignis die Bedeutung einer schnellen Koordination zwischen Gammasatelliten und flexiblen bodengestützten Einrichtungen“, fügt Dr. Moreno hinzu. „Instrumente wie Blanco, Gemini und Keck sind essentiell, um Extinktionseffekte zu überwinden und das Nachglühen zu erfassen, solange es noch nachweisbar ist.“
Broader implications and next steps
GRB 250702B erweitert nicht nur die bekannte Vielfalt an Gammastrahlenausbrüchen, sondern macht auch Lücken in unserem theoretischen Rahmen deutlich. Die Bestätigung eines der vorgeschlagenen Ursprünge hätte weitreichende Folgen für die Bereiche Sternentwicklung, Schwarze-Loch-Demographie und die Mechanismen der Erzeugung relativistischer Jets. Insbesondere würde der Nachweis eines Jets von einem intermediären Schwarzen Loch einen seltenen Beobachtungszugang zu einer bislang schwer nachweisbaren Population von Schwarzen Löchern eröffnen und wichtige Hinweise zur Bildung und Entwicklung solcher Objekte liefern.
Zukünftige Arbeiten werden sich darauf konzentrieren, tiefere Spektren zu gewinnen, um die Rotverschiebung der Wirtsgalaxie und ihre Metallizität zu messen, sowie die fortgesetzte Radiobeobachtung, um nach späten Jet-Signaturen zu suchen. Parallel dazu sollten gezielte Archivsuche nach ähnlichen langdauernden, wiederkehrenden Transienten durchgeführt werden, die in früheren Daten möglicherweise übersehen wurden. Fortschritte bei der Verbesserung von Transienten-Alert-Systemen und bei der schnellen Planung an großen Observatorien werden ebenfalls entscheidend sein, um die vollständige zeitliche Entwicklung ähnlich ungewöhnlicher Ereignisse lückenlos aufzuzeichnen.
Conclusion
GRB 250702B sticht als kosmische Ausnahmeerscheinung heraus: Ein siebenstündiger Gammastrahlenausbruch, eingebettet in eine dichte, staubreiche Galaxie, der sich nicht ohne Weiteres in Standardmodelle einordnen lässt. Das Ereignis betont die Notwendigkeit von Multiwellenlängen-Follow-up und internationaler, koordinierter Beobachtungskampagnen. Während Teleskope tiefer blicken und unsere Alarmnetze schneller werden, werden Astronominnen und Astronomen besser gerüstet sein, solche extremen Phänomene zu entschlüsseln — und möglicherweise den nächsten Rekordhalter zu erwischen, bevor sein Licht erlischt.
Quelle: scitechdaily
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