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Fast die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in den USA erfüllt nach den aktualisierten Leitlinien von 2025 der American Heart Association (AHA) und des American College of Cardiology (ACC) jetzt die Kriterien für Bluthochdruck. Diese strengeren Schwellenwerte und die neuen Instrumente zur individuellen Risikobewertung zielen darauf ab, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Demenz langfristig zu reduzieren. Gleichzeitig bedeuten sie, dass deutlich mehr Menschen ihren Blutdruck mit einem Ärzteteam besprechen sollten, um geeignete Präventions- und Behandlungsstrategien zu erarbeiten.
Was sich geändert hat: engere Grenzwerte und klarere Stadieneinteilung
Die 2025er Stellungnahme senkt die Kriterien zur Diagnose einer Hypertonie und streicht die bisher verwendete Bezeichnung „Prähypertonie“. Blutdruck bleibt ein Messwert mit zwei Zahlen: systolischer Wert (oberer Wert, Druck bei Herzkontraktion) und diastolischer Wert (unterer Wert, Druck während des Herzrelaxierens). Die neuen Kategorien lauten jetzt:
- Erhöht: systolisch 120–129 und diastolisch <80 mm Hg
- Hypertonie Stadium 1: 130–139 systolisch oder 80–89 diastolisch
- Hypertonie Stadium 2: ≥140 systolisch oder ≥90 diastolisch
- Hypertensive Krise: ≥180 systolisch oder ≥120 diastolisch
Durch die niedrigeren Grenzwerte fallen nun Millionen von Menschen zusätzlich in eine Hypertonie-Kategorie. Das heißt jedoch nicht automatisch, dass sofort Medikamente verordnet werden müssen. Vielmehr ist es ein Anlass für ein strukturiertes Gespräch mit Ihrem behandelnden Team über das individuelle Risiko, das Ausmaß der Messwerte, wiederholte Messungen und mögliche Behandlungsoptionen. Einige Personen profitieren zunächst primär von intensiven Lebensstilmaßnahmen, bei anderen begründet das kombinierte Risiko jedoch eine frühere medikamentöse Therapie.
Lebensstilmaßnahmen mit nachgewiesener Wirkung
Die aktualisierten Empfehlungen betonen weiterhin die Bedeutung des Lebensstils als erste Maßnahme und stellen klarere Zusammenhänge zwischen alltäglichen Gewohnheiten und messbaren Blutdruckveränderungen heraus. Ziel ist es, praktikable, evidenzbasierte Interventionen zu fördern, die das kardiovaskuläre Risiko senken können:
- Salzreduktion: Ziel ist <2.300 mg Natrium pro Tag, idealerweise <1.500 mg — zum Vergleich: der US-Durchschnitt liegt bei >3.300 mg. Eine schrittweise Reduktion handhabbarer Portionsgrößen und der Austausch stark verarbeiteter Lebensmittel reduziert die Natriumaufnahme effektiv.
- DASH-Diät: Die DASH-Ernährung (frisches Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, fettarme Milchprodukte, begrenzte gesättigte Fette) zeigt in Studien systolische Drucksenkungen von bis zu etwa 10 mm Hg bei einigen Personen und verbessert gleichzeitig metabolische Risikomarker.
- Mehr aerobe Aktivität: Jede zusätzliche halbe Stunde moderater körperlicher Aktivität pro Woche kann den systolischen Blutdruck um ~2 mm Hg senken; der größte Nutzen wird bei ca. 150 Minuten pro Woche gesehen. Regelmäßiges Ausdauertraining verbessert zudem Gefäßfunktion und Insulinsensitivität.
- Alkoholkonsum begrenzen: Männer sollten nicht mehr als zwei Standardgetränke pro Tag, Frauen nicht mehr als eines konsumieren. Untersuchungen zeigen, dass der systolische Druck um etwa 1 mm Hg pro zusätzlichen 10 Gramm reinen Alkohols ansteigt, weshalb Reduktion zu messbaren Verbesserungen führen kann.
- Weitere Prioritäten: ausreichender, regelmäßiger Schlaf, Gewichtsreduktion bei Übergewicht, Rauchstopp und Stressmanagement. Kleine, konsistente Veränderungen in mehreren Bereichen kumulieren und können oft medikamentöse Maßnahmen verzögern oder reduzieren.

Kleine Änderungen summieren sich: Reduzieren Sie Alkohol, tauschen Sie stark verarbeitete Produkte gegen frische Lebensmittel, und etablieren Sie eine realistische Bewegungsroutine. Für viele Patientinnen und Patienten führen diese Schritte zu ausreichend niedrigen Blutdruckwerten, um eine medikamentöse Behandlung zumindest hinauszuzögern. Wichtig ist hier ein individualisierter Plan, der Vorlieben, Alltagstauglichkeit und mögliche Barrieren berücksichtigt, damit Verhaltensänderungen langfristig gehalten werden.
Personalisierte Risikoabschätzung: der PREVENT-Rechner und klinische Konsequenzen
Die Leitlinie verstärkt den Fokus auf individualisierte Risikoabschätzung mittels des PREVENT-Rechners (Predicting Risk of Cardiovascular Disease EVENTS). PREVENT integriert Alter, Geschlecht, Cholesterinwerte, Blutdruck, Vorerkrankungen und weitere Faktoren, um das 10-Jahres-Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz zu schätzen. Dieses Risikoprofil hilft Klinikern einzuschätzen, ob Lebensstilinterventionen ausreichend sind oder ob eine medikamentöse Therapie sinnvoller ist.
- Wie PREVENT arbeitet: Der Algorithmus kombiniert epidemiologische Daten mit klinischen Parametern, um eine individualisierte Risikoabschätzung zu liefern. Dadurch lassen sich Behandlungsentscheidungen stärker am Gesamtrisiko ausrichten statt allein am Blutdruckwert.
- Einfluss auf Therapieentscheidungen: Zwei Personen mit identischen Blutdruckwerten können aufgrund unterschiedlicher Risikofaktoren (z. B. Alter, Diabetes, bereits bestehende Gefäßschäden) sehr unterschiedliche Therapieempfehlungen erhalten.
- Integration in die Praxis: PREVENT kann in elektronischen Gesundheitsakten eingebunden oder als separates Tool zur Therapieplanung genutzt werden. Es ergänzt, ersetzt aber nicht die klinische Beurteilung und Patientenvorlieben.

Dr. William Cornwell, Kardiologe am University of Colorado Anschutz Medical Campus, weist darauf hin: „PREVENT ermöglicht es, die Behandlung am gesamten Patienten auszurichten. Zwei Menschen mit denselben Blutdruckzahlen benötigen möglicherweise unterschiedliche Strategien, abhängig vom gesamten kardiovaskulären Risiko.“
Die Leitlinie empfiehlt zudem, die Blutdruckkontrolle zu Hause zu fördern: Regelmäßige häusliche Blutdruckmessungen (z. B. zweimal täglich über mehrere Tage) helfen, tageszeitliche Schwankungen zu dokumentieren und liefern verlässlichere Langzeitdaten als einzelne Messungen in der Praxis. Dies ist besonders nützlich, um „Weißkittelhypertonie“ (erhöhter Blutdruck nur in der Praxis) oder „versteckte Hypertonie“ (normale Praxiswerte, erhöhte Werte zu Hause oder ambulant) zu identifizieren. Bei Personen mit höherem Risiko empfehlen die Expertengremien eine aggressivere Therapie und engmaschigere Nachkontrollen.
Praktische nächste Schritte für Patientinnen und Patienten
Wenn Sie in letzter Zeit keinen Blutdruckcheck hatten, fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, ob Sie nach den neuen 2025-Kriterien als hyperton eingestuft werden. Besprechen Sie vorhandene Messwerte, mögliche häusliche oder 24-Stunden-Ambulantmessungen (Langzeitblutdruckmessung) und ob der PREVENT-Rechner bei der Entscheidungsfindung helfen soll. Falls bereits eine Hypertonie besteht, erörtern Sie gemeinsam mit dem Behandlungsteam konkrete Lebensstilstrategien, sinnvolle Häufigkeit der Selbstmessungen und ob anhand des individuellen Risikoprofils eine medikamentöse Behandlung angezeigt ist.
Sogar moderate Verbesserungen bei Salzaufnahme, Alkoholkonsum, körperlicher Aktivität und Schlafqualität können das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und kognitive Beeinträchtigungen im späteren Leben reduzieren. Betonen Sie gegenüber Ihrem Team auch die Wichtigkeit realistischer Zielsetzungen, regelmäßiger Nachsorge und einer interdisziplinären Betreuung — Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und psychosoziale Unterstützung können die Langzeitergebnisse deutlich verbessern.
Einige zusätzliche praktische Hinweise:
- Messungstechnik: Achten Sie auf eine ruhige Messumgebung, sitzen Sie mit gestütztem Rücken, lagern Sie den Arm auf Herzhöhe und verwenden Sie ein validiertes Oberarmmessgerät. Messen Sie nicht unmittelbar nach Koffein, körperlicher Anstrengung oder Stresssituationen.
- Wiederholungsmessungen: Bei erhöhten Werten sind wiederholte Messungen an mehreren Tagen empfehlenswert, um Messfehler und kurzfristige Schwankungen auszugleichen.
- Ambulantes Monitoring: Bei Verdacht auf Weißkittel- oder Maskierte Hypertonie kann eine 24-Stunden-Ambulantmessung (ABPM) wertvolle Informationen über nächtliche Blutdruckverläufe und Belastungsreaktionen liefern.
- Medikamentöse Optionen: Sollte eine medikamentöse Therapie nötig werden, stehen mehrere Wirkstoffklassen zur Verfügung (ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker, Calciumkanalblocker, Diuretika u. a.). Die Auswahl richtet sich nach Komorbiditäten, Verträglichkeit und patientenspezifischen Faktoren.
Die neue Definition von Bluthochdruck und die stärkere Betonung der Risikostratifizierung durch Tools wie PREVENT sollen helfen, präziser und individueller zu behandeln. Für Patienten bedeutet dies: mehr Möglichkeiten zur Prävention, aber auch eine größere Verantwortung für regelmäßige Messungen und Lebensstiländerungen. Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Behandlungsteam, um die für Sie beste Kombination aus Monitoring, Lebensstilmaßnahmen und ggf. medikamentöser Therapie zu finden.
Quelle: sciencealert
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