8 Minuten
Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass nicht alle Schritte gleichwertig sind: Wie Sie gehen, könnte genauso wichtig sein wie die Anzahl der aufgezeichneten Schritte. Eine große Kohortenstudie aus dem Vereinigten Königreich fand heraus, dass Erwachsene, die ihre täglichen Schritte in längere, kontinuierliche Gehabschnitte bündelten, ein geringeres Sterbe- und kardiovaskuläres Erkrankungsrisiko hatten als diejenigen, deren Schritte in kurzen, fragmentierten Etappen anfielen. Diese Erkenntnisse erweitern das Verständnis von Schrittzahlen und körperlicher Aktivität und betonen das Bewegungsmuster als relevanten Faktor für die Herzgesundheit und Lebensdauer.
Wie die Studie durchgeführt wurde und wer untersucht wurde
Die Forschenden analysierten Beschleunigungsmesserdaten (Accelerometer) von 33.560 Erwachsenen aus der UK Biobank und konzentrierten sich dabei auf Personen mit relativ niedriger Aktivität — im Durchschnitt weniger als 8.000 Schritte pro Tag. Anstatt ausschließlich die Gesamtzahl der Schritte zu betrachten, unterteilte das Team die Teilnehmenden nach der typischen Dauer ihrer Gehabschnitte: unter 5 Minuten, 5 bis <10 Minuten, 10 bis <15 Minuten und 15 Minuten oder länger. Diese Kategorisierung erlaubt eine differenzierte Betrachtung von Gehmustern und deren möglichen physiologischen Effekten.
Im Mittel legten die Teilnehmenden etwa 5.165 Schritte pro Tag zurück. Fast 43 % sammelten den größten Teil ihrer Schritte in Abschnitten unter 5 Minuten, 33,5 % in 5–10-minütigen Abschnitten, 15,5 % in 10–15-minütigen Abschnitten und lediglich 8 % in Abschnitten von 15 Minuten oder länger. Die Forschenden verfolgten anschließend über rund 9,5 Jahre die Sterblichkeit sowie das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen (CVD) und korrigierten die Analysen für die Gesamtzahl der Schritte sowie für weitere etablierte Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Raucherstatus, Bluthochdruck, Diabetes und sozioökonomischen Status.
Die Verwendung von objektiven Beschleunigungsmessern erhöht die Validität der Daten gegenüber rein selbstberichteten Aktivitäten; gleichzeitig erlaubt die Aufschlüsselung nach Gehabschnitten eine Einschätzung darüber, ob konsistente Belastungszeiten physiologisch relevanter sind als die bloße Schrittanzahl. Solche methodischen Entscheidungen sind wichtig, um Aussagen über kausale Mechanismen und mögliche klinische Empfehlungen zu festigen.
Wesentliche Ergebnisse: Längere Gehabschnitte mit geringerem Risiko verbunden
Die Ergebnisse zeigten ein klares Muster: Teilnehmende, die ihre Aktivität in längeren, kontinuierlichen Gehabschnitten konzentrierten, wiesen deutlich niedrigere Risiken sowohl für die Gesamtsterblichkeit als auch für kardiovaskuläre Erkrankungen auf als diejenigen, die überwiegend kurze Wege zurücklegten. Nach 9,5 Jahren betrug das Risiko für die Gesamtmortalität 4,36 % in der <5-Minuten-Gruppe, verglichen mit 1,83 % für 5–10 Minuten, 0,84 % für 10–15 Minuten und 0,80 % für Gehabschnitte von 15 Minuten oder mehr.

Der Unterschied war für kardiovaskuläre Endpunkte noch deutlicher. Das kumulative Risiko für CVD nach 9,5 Jahren sank von 13,03 % in der <5-Minuten-Gruppe auf 11,09 % (5–10 min), 7,71 % (10–15 min) und 4,39 % bei jenen, deren Schritte überwiegend in Abschnitten von 15 Minuten und mehr auftraten. Besonders ausgeprägt waren die Assoziationen bei den am stärksten inaktiven Personen (weniger als 5.000 Schritte pro Tag), was nahelegt, dass Gehabschnittslänge bei sehr niedriger Gesamtaktivität einen besonders großen Einfluss auf Gesundheitsrisiken haben kann.
Diese Befunde blieben in multivariabelen Modellen robust, die sowohl die Schrittmenge als auch potenzielle Störfaktoren berücksichtigten. Solche Analysen sprechen dafür, dass die Dauer zusammenhängender Gehabschnitte eine eigenständige Rolle für die Risikominderung spielen kann und nicht allein ein Korrelat höherer Aktivitätsvolumina ist.
Warum das Geh- oder Bewegungsmuster die Herzgesundheit beeinflussen könnte
Gehen ist mehr als eine bloße Zählgröße für Schritte: Die Länge einzelner Gehabschnitte beeinflusst Herzfrequenz, Blutdruck, metabolische Reaktionen und die Scherkräfte an den Gefäßwänden (vascular shear stress). Längere, kontinuierliche Gehphasen sind wahrscheinlicher geeignet, die Herzfrequenz zu erhöhen und über einen längeren Zeitraum auf einem erhöhten Level zu halten, die Durchblutung zu verbessern und günstige Effekte auf Glukose- und Lipidstoffwechsel auszulösen. Solche physiologischen Reaktionen sind plausibel dafür verantwortlich, dass längere Gehabschnitte in der Kohorte mit niedrigeren Raten von CVD und Mortalität verbunden waren.
Aus kardiovaskulärer Sicht wirken regelmäßige, zusammenhängende Belastungen günstig auf Endothelfunktion, Entzündungsmarker und Insulinsensitivität. Zudem können längere Spaziergänge die Herzfrequenzvariabilität positiv beeinflussen und so das autonome Gleichgewicht von Sympathikus und Parasympathikus verbessern. Kurzfristige, fragmentierte Bewegungen erzeugen dagegen oft nur kurzzeitige physiologische Veränderungen, die nicht dieselbe kumulative Wirkung entfalten.
Mechanistisch sind mehrere Pfade denkbar: verbesserte endothelial vermittelte Vasodilatation durch wiederholte Shear-Stress-Stimulation, reduzierte systemische Entzündungsaktivität, günstigere Lipidprofile sowie eine gesteigerte Muskelglukoseaufnahme durch länger anhaltende kontraktile Aktivität. Diese kombinierte Wirkung kann auf Populationsebene messbar niedrigere Inzidenzen von Herzinfarkten, Schlaganfällen und damit zusammenhängender Sterblichkeit erklären.
Praktische Empfehlungen für den Alltag: Bewegung gezielt strukturieren
Für Menschen mit niedrigen Aktivitätsniveaus liefert die Studie eine unmittelbar umsetzbare Erkenntnis: Planen Sie gezielte, kontinuierliche Gehphasen in den Tagesablauf ein. Wenn Ihre Routine überwiegend aus kurzen Wegen zwischen Räumen, kurzen Erledigungen oder fragmentierten Alltagsbewegungen besteht, versuchen Sie, diese in ein bis zwei durchgehende Spaziergänge von jeweils 10–20 Minuten zu bündeln. Schon ein 15-minütiger Spaziergang mit ruhigem bis moderatem Tempo scheint messbare kardiovaskuläre Vorteile zu bringen, die über die gleiche Schrittzahl verteilt auf kurze Etappen hinausgehen.
Konkrete, leicht umsetzbare Optionen sind beispielsweise ein zügiger 15-minütiger Spaziergang nach dem Mittagessen, ein entspannter 20-minütiger Abendspaziergang oder zwei getrennte 10-minütige Einheiten verteilt über den Tag. Solche Maßnahmen sind kostengünstig, skalierbar und für die meisten Erwachsenen ohne größere Barrieren realisierbar. Für berufstätige Personen können kurze, geplante Pausen mit einer Folge von 10–15 Minuten Gehen ein praktikabler Weg sein, um das Bewegungsmuster zu verändern.
Für Ärztinnen und Ärzte sowie Gesundheitskommunikatorinnen und -kommunikatoren bedeutet dies, dass es sinnvoll sein kann, neben der Schrittanzahl auch die Dauer zusammenhängender Gehabschnitte zu empfehlen. Zielorientierte Beratung — etwa "Zielen Sie darauf ab, an mindestens fünf Tagen pro Woche jeweils 10–20 Minuten am Stück zu gehen" — könnte Menschen unterstützen, die sonst nur sehr kurze, sporadische Bewegungen ausführen.
Welche Relevanz haben die Ergebnisse für künftige Leitlinien und Forschung
Die Studie stützt die Weiterentwicklung von Bewegungsempfehlungen, die nicht nur die Gesamtaktivität, sondern auch Intensität, Dauer und Muster der Bewegung berücksichtigen. Künftige randomisierte Studien könnten gezielt untersuchen, ob die Empfehlung zu mehreren nachhaltigen Spaziergängen (z. B. 10–20 Minuten) pro Woche gegenüber einer reinen Schrittzahl-basierten Empfehlung bessere kardiovaskuläre Ergebnisse erzielt. Leitlinien könnten in Zukunft spezifischere Aussagen zur optimalen Kombination aus Schrittanzahl, Gehabschnittsdauer und -intensität machen.
Wesentliche offene Fragen für die Forschung sind beispielsweise: Wie viel zusätzliche Wirkung erzielt die Bündelung der Schritte im Vergleich zu einer gleich hohen Schrittzahl in kurzen Intervallen? Welche minimale Abszchnittslänge ist notwendig, um metabolische Vorteile zu erreichen? Wie interagieren Gehabschnittsdauer und Gehintensität (z. B. moderates Tempo vs. zügiges Gehen) mit dem individuellen Risikoprofil einer Person? Antworten auf diese Fragen würden die Grundlage für präzisere Empfehlungen und Interventionen bilden.
Pragmatische Interventionsstudien in verschiedenen Bevölkerungsgruppen (ältere Menschen, Personen mit metabolischem Syndrom, Menschen mit eingeschränkter Mobilität) sind wichtig, um die Übertragbarkeit der Ergebnisse zu prüfen und Barrieren für die Umsetzung in unterschiedlichen Lebenskontexten zu identifizieren. Auch technologische Lösungen, etwa Smartphone- oder Wearable-basierte Erinnerungen zur Umsetzung zusammenhängender Gehzeiten, könnten wirksam sein und sollten evaluiert werden.
Einschränkungen und Abwägungen
Obwohl die Ergebnisse statistisch robust erscheinen, sind Beobachtungsstudien naturgemäß anfällig für Restverzerrungen und umgekehrte Kausalität: Gesünder lebende Personen könnten eher dazu neigen, längere Gehabschnitte zu absolvieren, und unerkannte Gesundheitsprobleme könnten sowohl zu fragmentierter Aktivität als auch zu einem höheren Risiko beitragen. Die Forschenden versuchten, solche Einflüsse durch umfangreiche Adjustierungen zu reduzieren, doch randomisierte Studien wären nötig, um Kausalität definitiver nachzuweisen.
Weiterhin ist zu beachten, dass die Kohorte in der UK Biobank nicht in allen Merkmalen repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist; dies kann die allgemeine Übertragbarkeit der Zahlen beeinflussen. Dennoch erlauben die mechanistischen Hinweise und die Plausibilität der physiologischen Erklärungen eine Abwägung zugunsten praktischer Empfehlungen: Das Ergänzen der Schrittanzahl um Hinweise zur Gehabschnittsdauer dürfte einen geringen Aufwand bedeuten und potenziell große Vorteile bringen.
Fazit: Kleine Verhaltensänderungen, großes Potenzial
Die Studie legt nahe, dass für Menschen mit niedriger Schrittanzahl nicht nur die Menge, sondern auch die Struktur der Bewegung wichtig ist. Längere, zusammenhängende Gehabschnitte — beispielsweise 10–20 Minuten am Stück — scheinen messbare kardiovaskuläre und überlebensbezogene Vorteile gegenüber einer gleich hohen Schrittanzahl in vielen kurzen Unterbrechungen zu bieten. Praktisch umsetzbare Strategien wie ein 15-minütiger Spaziergang nach dem Essen oder zwei kurze Spaziergänge über den Tag verteilt könnten daher kosteneffiziente Maßnahmen zur Förderung der Herzgesundheit sein.
Für die öffentliche Gesundheitskommunikation und klinische Beratung bedeutet dies: Ergänzen Sie Schrittziele durch Empfehlungen zur Gehabschnittsdauer und betonen Sie, dass bereits moderate, wiederkehrende Veränderungen im BewegungsmusterSignifikante Vorteile bringen können. Künftige Leitlinien und Studien sollten dieses Konzept weiter untersuchen, um präzisere, evidenzbasierte Empfehlungen zu entwickeln, die Intensität, Dauer und Muster von Bewegung integrieren.
Quelle: scitechdaily
Kommentar hinterlassen