NASA stoppt vorübergehend bemannte Flüge mit Starliner

NASA stoppt vorübergehend bemannte Flüge mit Starliner

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Die NASA hat Boeings Raumkapsel Starliner vorübergehend für bemannte Flüge gesperrt und die für April 2026 geplante Einsatzmission in einen reinen Frachtflug umgewandelt. Dieser Schritt folgt auf jahrelange Softwareprobleme, Antriebsstörungen und eine riskante bemannte Testmission, die das Vertrauen in die Einsatzbereitschaft des Starliner erheblich belastet hat. Die Entscheidung signalisiert, wie ernst die Agentur die Zuverlässigkeit von Antriebssystemen und die Sicherheit der Besatzungen nimmt, insbesondere vor dem Hintergrund der verbleibenden Betriebszeit der Internationalen Raumstation (ISS) und der wachsenden Bedeutung sicherer Crew-Transporte in die niedrige Erdumlaufbahn.

Why NASA paused Starliner’s crewed launch

In einer folgenreichen Vertragsänderung hat die NASA ihren Vertrag mit Boeing so angepasst, dass der Starliner bei der nächsten Mission, Starliner-1, keine Astronautinnen und Astronauten transportieren darf. Die Mission ist nun als Frachtflug für April 2026 geplant. Als Begründung nannte die NASA eine Reihe technischer Fehlfunktionen: angefangen bei einem beinahe verlorenen unbemannten Testflug Ende 2019 aufgrund von Softwarefehlern bis hin zu Anomalien im Antriebssystem während eines unbemannten Startes im Mai 2022, der zwar die ISS erreichte, aber Mängel offenbarte. Diese Vorfälle haben die Debatte um Zertifizierung, Risikobewertung und operative Einsatztauglichkeit des Starliner wieder in den Fokus gerückt.

Steve Stich, Programmmanager des NASA Commercial Crew Program, erläuterte die Hintergründe der Änderung: Die Vertragsanpassung "erlaubt es NASA und Boeing, sich auf die sichere Zertifizierung des Antriebssystems zu konzentrieren, notwendige Tests abzuschließen und die Starliner-Flugplanung mit den operativen Anforderungen der ISS bis 2030 in Einklang zu bringen." Kurz gesagt: Die NASA fordert belastbare Belege für die Verlässlichkeit der Antriebs- und damit verbundenen Systeme, bevor sie Menschenleben an Bord zulässt. Diese Forderung spiegelt die hohen Sicherheitsstandards für bemannte Raumfahrt und die operative Verantwortung gegenüber der ISS-Crew wider.

What went wrong on previous Starliner flights?

Die Probleme des Starliner betreffen sowohl Software als auch Hardware und erstrecken sich über mehrere Testflüge und Jahre. Beim ersten unbemannten Testflug Ende 2019 führten Softwarefehler zu falschen Zeitplan- und Positionsberechnungen, sodass die Kapsel beinahe verloren gegangen wäre; das Ereignis offenbarte gravierende Mängel in den Prüf- und Freigabeprozessen. Der zweite unbemannte Flug im Mai 2022 erreichte zwar die ISS, zeigte jedoch Defekte im Antriebssystem, darunter Fehlfunktionen von Schubdüsen, Unregelmäßigkeiten beim Treibstofffluss und unerwartete Steuerungsreaktionen. Diese technischen Auffälligkeiten warfen Fragen zur Robustheit der Redundanzen und zur Systemintegration auf.

Am alarmierendsten war die erste bemannte Mission im Sommer 2024: Die Astronauten Butch Wilmore und Sonny Williams kamen zwar sicher zur ISS, doch mehrere Störungen im Antriebssystem sorgten dafür, dass die Rückführung und die Betriebssicherheit der Kapsel infrage gestellt wurden. Die NASA bewertete die Lage als zu riskant für eine Heimkehr mit dem Starliner und setzte statt dessen eine Dragon-Kapsel von SpaceX für die Rückkehr der Besatzung im September 2024 ein. Dieses Szenario zeigte, wie kritisch zuverlässige Triebwerks- und Steuerungskomponenten für Rendezvous, Andocken und Re-Entry sind und wie eng die operative Risikobewertung in der bemannten Raumfahrt sein muss.

Die Fehlersuche wurde zusätzlich erschwert, weil sich das Service-Modul der Raumkapsel — in dem zahlreiche Antriebskomponenten untergebracht sind — bei einer unbemannten Rückkehr 2024 abtrennte und beim Wiedereintritt verglühte. Dadurch gingen wichtige Wrackteile und potenzielle forensische Beweismittel verloren, die hätten helfen können, die Ursachen für die Anomalien zu identifizieren. Boeing hat interne Änderungen am Antriebssystem weitgehend nicht öffentlich kommuniziert, wodurch unabhängige Verifizierungen und die Nachvollziehbarkeit der Korrekturmaßnahmen erschwert werden. Diese Kombination aus begrenzter Einsicht, fehlenden physischen Komponenten und komplexer Systemdiagnostik verlangsamt die Wiederherstellung des Vertrauens in die Flugtauglichkeit.

Technical context: why propulsion matters

Für bemannte Missionen ist die Zuverlässigkeit von Triebwerken, Reaktionskontrollsystemen und zugehöriger Elektronik unverzichtbar. Das Antriebssystem beeinflusst kritische Manöver wie Rendezvous und Andocken an die ISS, präzise Lageregelung zur Ausrichtung von Antennen und Solarpanelen sowie den Deorbit- und Wiedereintrittsverlauf, der die Sicherheit der Besatzung bei der Rückkehr zur Erde bestimmt. Technische Defekte können beispielsweise zu fehlerhaften Bahnkorrekturen, unzureichender Treibstoffzufuhr oder unkontrollierten Lagestörungen führen. Deshalb verlangen NASA und andere bemannte Raumfahrtbehörden umfassende Testreihen, Redundanzkonzepte, Fehlermodi-Analysen (Failure Mode and Effects Analysis, FMEA) sowie unabhängige Validierung, bevor eine Zertifizierung für den Transport von Personen erteilt wird.

Darüber hinaus ist die Komplexität moderner Antriebssysteme hoch: Sie umfassen Haupttriebwerke für größere Bahnmanöver, Reaktionskontrolldüsen für Drehmomente, Treibstoff- und Oxidatorsensorik, Ventilsteuerungen sowie die Elektronik zur Steuerung dieser Elemente. Jede dieser Komponenten muss in unterschiedlichen Betriebszuständen geprüft werden — unter Normalbedingungen, bei Teilausfällen und in Kombination mit Navigations- und Softwareelementen. Nur so lassen sich sichere Betriebsprofile für bemannte Einsätze erstellen und Nachrüstungen oder Designänderungen wirksam bewerten.

Implications for Boeing and the ISS timeline

Die Herabstufung von Starliner-1 zu einer reinen Frachtmission stellt einen erheblichen Rückschlag für Boeing dar. Das Starliner-Programm wurde vor etwa 15 Jahren angekündigt und sollte ursprünglich bereits um 2017 einsatzbereit sein. Immer wiederkehrende Verzögerungen, technische Probleme und zusätzliche Tests haben die Kosten deutlich in die Höhe getrieben; Schätzungen gehen von Entwicklungsmehrkosten von mehr als zwei Milliarden US-Dollar aus. Während sich die Zeit zum Demonstrieren der Zuverlässigkeit des Systems verkürzt, bleibt der wirtschaftliche Druck auf Boeing groß, denn mit der von der NASA geplanten Außerdienststellung der ISS um circa 2030 schrumpft das relevante Einsatzfenster für bemannte Transportdienste.

Für Boeing steht viel auf dem Spiel: Neben den finanziellen Verlusten geht es um Reputation in der Raumfahrtindustrie, um die Fähigkeit, als verlässlicher Partner für staatliche und kommerzielle Missionen zu gelten, und um strategische Positionierung im Markt für Crew-Transporte zur niedrigen Erdumlaufbahn. Eine erfolgreiche Wiederherstellung des Vertrauens würde umfangreiche technische Nachweise, zusätzliche Demonstrationsflüge und transparente Kommunikation erfordern. Dabei spielen auch politische und regulatorische Faktoren eine Rolle: Die NASA muss ihre Verpflichtungen gegenüber internationalen Partnern und der ISS-Betriebssicherheit einhalten, und jede weitere Verzögerung könnte dazu führen, dass sich Operatoren noch stärker auf etablierte Anbieter wie SpaceX verlassen.

Gleichzeitig bleibt SpaceX mit seiner Crew-Dragon-Kapsel erfolgreich im Einsatz: Seit 2019 absolvierte Dragon einen Testflug und mehrere bemannte Missionen (Stand: zuletzt zehn bemannte Flüge), und das System zeigte sich in verschiedenen Einsatzszenarien robust. Die schnelle Verfügbarkeit der Dragon-Kapsel im September 2024 zur Rückführung der Starliner-Besatzung unterstrich die Bedeutung von Redundanz auf System- und Anbieter-Ebene für die NASA und internationale Raumfahrtpartner. Für Boeing bedeutet dies, dass der Wettbewerbsdruck steigt — sowohl technologisch als auch vertrags- und marktseitig.

Kann Boeing das verlorene Vertrauen der NASA zurückgewinnen und den Starliner noch vor der Außerdienststellung der ISS für bemannte Einsätze zertifizieren? Die Antwort hängt von mehreren Faktoren ab: systematische und transparente Testprogramme des Antriebs und der Steuersysteme, unabhängige Validierung durch Dritte, klare und nachvollziehbare Nachweise für behobene Fehler sowie ein plausibler Zeitplan für zusätzliche Demonstrationsflüge. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, dürfte eine erneute Zertifizierung für Crew-Flüge realistisch werden — andernfalls könnte Boeing Schwierigkeiten haben, die Rolle als zuverlässiger Crew-Transporteur dauerhaft zu sichern.

Vorerst bleibt der Starliner für den Transport von Astronautinnen und Astronauten gesperrt. Die Luft- und Raumfahrtgemeinschaft sowie politische Entscheidungsträger werden die nächsten Schritte von Boeing genau verfolgen: Wie das Unternehmen technische Lücken schließt, welche Tests und Nachweise erbracht werden und ob eine glaubwürdige Strategie zur Wiederherstellung der Crew-Zertifizierung aufgezeigt wird. Die künftige Rolle von Boeing im Bereich bemannte Raumfahrt hängt entscheidend davon ab, ob die technische und prozessuale Reife des Starliner handfest und transparent nachgewiesen werden kann.

Quelle: smarti

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