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Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben die bisher größte dreidimensionale Karte menschlicher Bauwerke veröffentlicht: einen online verfügbaren GlobalBuildingAtlas, der etwa 2,75 Milliarden Gebäude weltweit lokalisiert und modelliert. Auf Basis von Satellitenbildern, gemessenen Höhen und Verfahren des maschinellen Lernens liefert der Atlas volumetrische Einblicke in die urbane Form in einem bislang unerreichten Umfang und mit neuartiger Detailtiefe.
Ein Sprung von Grundrissen zu volumetrischen Städten
Frühere globale Datensätze — etwa die Gebäude-Grundrisse von Microsoft — konzentrierten sich weitgehend auf zweidimensionale Umrisse. Der TUM-Atlas geht deutlich weiter: Er schätzt Gebäudehöhen und erzeugt 3-mal-3-Meter-3D-Blöcke, die die ungefähre Form und das Volumen nahezu aller Konstruktionen beschreiben. Diese räumliche Auflösung reicht nicht, um Fassadendetails oder kleine architektonische Merkmale zu erkennen, ist aber etwa 30-mal feiner als frühere Flächensammlungen und damit deutlich nützlicher für die Erfassung urbaner Dichte und vertikaler Struktur.
Warum ist das Volumen relevant? Weil der Grundriss allein Planende und Analysten über die wirkliche Bevölkerungsdichte, Wohn- und Arbeitskapazität in die Irre führen kann. Volumen erfasst die dreidimensionale Masse eines Gebäudes und liefert damit einen verbesserten Proxy für Bevölkerung, Wohnraumkapazität und Infrastrukturbedarf. Der Atlas führt auch eine neue Kenngröße ein: das Gebäudevolumen pro Kopf (building volume per capita), mit dem sich das gesamte gebaute Volumen einer Region in Relation zur Bevölkerung setzen lässt — ein Indikator für Wohnraumverfügbarkeit, sozioökonomische Unterschiede und urbane Gestalt.
Die Integration solcher Metriken erweitert herkömmliche Messverfahren für Stadtplanung, Infrastrukturprognosen und sozialwissenschaftliche Analysen. Wichtige Suchbegriffe und Themen wie "Gebäudevolumen", "3D-Gebäudemodell", "Gebäudehöhen", "urbane Dichte" und "satellitenbasierte Fernerkundung" werden dabei natürlich und gezielt angesprochen, ohne in Keyword-Stuffing zu verfallen.
Wie der Atlas erstellt wurde
Das Projekt stützte sich auf ein umfassendes Archiv an Satellitenbildern kombiniert mit gemessenen Höhenstichproben (z. B. aus LiDAR, kommerziellen Höhendatensätzen und lokalen Vermessungen) sowie auf maschinelle Lernmodelle, die Höhen für Regionen extrapolieren, in denen direkte Messungen spärlich sind. Durch das Training von Algorithmen, die Dachformen, Schattenmuster, kontextuelle Hinweise und texturale Merkmale erkennen, erzeugte das Team 3D-Schätzungen für Milliarden von Strukturen weltweit.
Technisch wurden Convolutional Neural Networks (CNN) und moderne Deep-Learning-Architekturen eingesetzt, oft kombiniert mit Transfer-Learning-Ansätzen, um von Regionen mit reichhaltigen Trainingsdaten auf weniger gut dokumentierte Gebiete zu übertragen. Zusätzliche Schritte beinhalteten die Erstellung von digitalen Höhenmodellen (DHM) in Gitterrastern über 3 m x 3 m und die Aggregation dieser Zellen zu Volumenmessungen pro Gebäudeeinheit. Als Trainingsdaten dienten eine Mischung aus hochaufgelösten Fernerkundungsdaten, existierenden Grundriss-Vektoren und lokal erhobenen Höhenpunkten.
Die KI-gestützten Verfahren machten das Projekt in globalem Maßstab praktikabel, brachten jedoch bekannte Unsicherheiten mit sich. Das TUM-Team gibt offen zu, dass Höhen bei sehr hohen Gebäuden häufig unterschätzt werden und dass insbesondere in Teilen Afrikas und anderen datenarmen Regionen mehr lokale Trainingsdaten und Feldvalidierungen benötigt werden. Dennoch stellt der Datensatz im Vergleich zu früheren Ressourcen eine deutliche Verbesserung in Abdeckung und dreidimensionaler Detailtiefe dar.
Der Atlas ist unter dem Namen GlobalBuildingAtlas online frei zugänglich, und die Autorinnen und Autoren haben Methodik und Validierung in Earth System Science Data (2025) publiziert, womit die wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit gewahrt bleibt.

Der Atlas ermöglichte es den Forschenden, die Gebäudedichte weltweit zu kartieren
Auswirkungen auf Stadtplanung, Klima und Katastrophenvorsorge
Volumetrische Gebäudedaten haben unmittelbare Anwendungspotenziale in verschiedenen Bereichen. Stadtplanerinnen und -planer können das Gebäudevolumen nutzen, um Bevölkerungskonzentrationen präziser abzuschätzen und so Schulen, Krankenhäuser oder Verkehrsanbindungen besser zu planen. Im Katastrophenschutz lassen sich Gefahrenexposition und Verwundbarkeit realistischer modellieren, wenn nicht nur die Lage, sondern auch die gebaute Masse in gefährdeten Gebieten bekannt ist. Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie politische Entscheidungsträger können urbanes Volumen in Modelle für Energiebedarf, städtische Hitzeinseln und gebäudebedingte Emissionen einbeziehen.
Beispiele für konkrete Anwendungen:
- Präzisere Bevölkerungsmodelle: Kombination von Gebäudevolumen mit Zensus- und Mobilitätsdaten führt zu besseren Schätzungen der Wohn- und Tagesbevölkerung.
- Infrastrukturplanung: Volumenbasierte Indikatoren helfen, Versorgungskapazitäten für Wasser, Strom und Verkehr entlang vertikaler Verdichtungen zu planen.
- Risikobewertung: In Hochrisikozonen (z. B. Sturm-, Überflutungs- oder Erdbebengebiete) erlaubt Volumeninformation differenziertere Schadensmodelle.
- Klimapolitik: Integrative Modelle können den Einfluss von Bauvolumen auf Energieverbrauch und lokale Mikroklimata quantifizieren.
Im Kontext der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (“SDG”), die inklusive, sichere und widerstandsfähige Städte fordern, bietet verbesserte 3D-Daten eine genauere Grundlage zur Erkennung urbaner Ungleichheit und infrastruktureller Bedarfe. Das Gebäudevolumen pro Kopf etwa kann Belastungs- und Investitionsunterschiede sichtbar machen, die zweidimensionale Karten verwischen.
Grenzen, Validierung und künftige Verbesserungen
Keine global erzeugte Karte ist fehlerfrei. Das TUM-Team weist auf regionale Verzerrungen dort hin, wo Trainingsdaten rar sind, auf die systematische Unterschätzung sehr hoher Gebäude sowie auf die typischen Probleme satellitengestützter Produkte — Wolkenbedeckung, jahreszeitliche Unterschiede, Bewuchs oder gemischte Flächennutzung, die Schätzungen erschweren. Der Atlas ist bewusst als iteratives Produkt angelegt: Zusätzliche Bodenerhebungen, diversere Trainingsstichproben und verbesserte Algorithmen sollen Höhen weiter verfeinern und regionale Fehler reduzieren.
Validierung erfolgte über verschiedene Ansätze: Vergleich mit LiDAR-Referenzdaten in Pilotregionen, Abgleich mit vorhandenen Grundriss- und Höhendatensätzen sowie statistische Fehleranalysen nach Gebäudetyp, Nutzungsklasse und geografischer Region. Offene Verfügbarkeit ist hierbei eine Stärke: Je mehr Forschende, Kommunen und NGOs den Datensatz nutzen und validieren, desto schneller können Fehler identifiziert, kommentiert und korrigiert werden. Eine Community-basierte Verbesserung und lokale Kalibrierung erhöhen die Glaubwürdigkeit für politische und planerische Entscheidungen.
Zukünftige Verbesserungswege umfassen:
- Erweiterte Feldmessungen und nationale LiDAR-Lieferungen zur lokalen Kalibrierung.
- Integration hochaufgelösterer Satellitenbilder und Multispektral-/Radar-Daten zur besseren Erkennung von Dachstrukturen.
- Fortschritte in KI-Modellen für Höhenabschätzungen, inklusive Unsicherheitsquantifizierung und probabilistischer Vorhersagen.
- Verknüpfung mit Nutzungsdaten (z. B. Wohnen, Gewerbe, Industrie) zur funktionalen Interpretation von Volumenindikatoren.
Expertinnen- und Experteneinschätzung
Dr. Elena Marquez, eine Urban-Geospatial-Scientist, die nicht am Projekt beteiligt war, merkt an: "Dieser Atlas ist ein großer Schritt nach vorn, weil er die Einheit der Analyse von flachen Grundrissen auf echte dreidimensionale Stadtstruktur verlagert. Selbst mit den gegenwärtigen Unsicherheiten erlauben volumenbasierte Metriken uns, bessere Fragen zu Wohnraum, Versorgung und Resilienz zu stellen. Der nächste Schritt wird die Integration lokaler Zensus- und Nutzungsdaten sein, um Volumen in funktionale Aussagen über die Frage ‘wer lebt wo und warum’ zu übersetzen."
Mit Blick nach vorn verspricht der GlobalBuildingAtlas eine starke Plattform für interdisziplinäre Arbeit: Satelliten- und KI-Entwickler können Erkennungs- und Höheninferenzen verbessern; Stadtforscherinnen und Demographen können neue Bevölkerungsmodelle testen; politische Entscheidungsträger können Finanzierungsentscheidungen an einem klareren Bild der gebauten Umwelt ausrichten. Die Kombination aus offener Verfügbarkeit, wissenschaftlicher Dokumentation (Earth System Science Data, 2025) und technischen Verbesserungsmöglichkeiten macht den Atlas zu einer potenziell grundlegenden Ressource für Stadtplanung, Klimaanpassung, Katastrophenschutz und sozialwissenschaftliche Forschung.
Insgesamt trägt der GlobalBuildingAtlas dazu bei, die Wissensbasis für urbane Planung und politische Strategien substantiell zu verbessern, indem er Gebäudevolumen als sinnvolle, messbare Größe etabliert. Durch die Kombination von Satellitendaten, modernen KI-Verfahren und lokalen Validierungen entsteht ein flexibles Instrument, das sowohl globale Vergleiche als auch lokale Detailanalysen ermöglicht. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie rasch sich die Genauigkeit verbessert, wie breit die Nutzung wird und welche neuen Einsichten in die Struktur unserer Städte daraus erwachsen.
Quelle: sciencealert
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