Robuste Moossporen überleben neun Monate an der ISS

Robuste Moossporen überleben neun Monate an der ISS

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Forscher setzten sporenführende Kapseln eines in Laboren weit verbreiteten Mooses dem Vakuum und der Strahlung der niedrigen Erdumlaufbahn aus — und entdeckten, dass die meisten Sporen neun Monate lang überlebten, während sie außen an der Internationalen Raumstation (ISS) befestigt waren. Dieses Ergebnis erweitert überraschend unser Verständnis von Pflanzenhärte und wirft Fragen auf, wie widerstandsfähige Arten künftig in außerirdischen Habitaten eingesetzt werden könnten.

Warum Wissenschaftler Moos im Orbit testeten

Physcomitrium patens, oft als Streu- oder Teppichmoos bezeichnet, ist ein bevorzugtes pflanzliches Modell für Forschungsgruppen: Es hat ein sequenziertes Genom, eine vergleichsweise einfache Struktur und eignet sich gut für molekulare und entwicklungsbiologische Studien. Ähnlich wie Bärtierchen (Tardigrada) bei den Tieren zeigen einige Bryophyten — dazu zählen Moose, Leber- und Hornmoose — bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Umweltbedingungen. Sie tolerieren Austrocknung (Desikvation), intensive UV-Strahlung und große Temperaturschwankungen, die für höhere Pflanzen tödlich wären.

Frühere Laborversuche auf der Erde hatten nahegelegt, dass die sporenführenden Strukturen des Mooses — die Sporophyten — besonders robust sind. Diese Sporophyten scheinen intensiver UV-Strahlung, extremer Hitze und Kälte besser standzuhalten als Blätter oder Stängelstadien. Um diese Beobachtungen unter echten Weltraumbedingungen zu überprüfen, schickte ein Forscherteam der Hokkaido University sporentragende Kapseln auf die Außenseite der ISS, wo sie neun Monate lang dem Weltraum ausgesetzt waren. Die Entscheidung für die direkte Außenpositionierung zielte darauf ab, reale Kombinationen aus Vakuum, thermischen Zyklen und kosmischer Strahlung zu testen — Faktoren, die in Bodenexperimenten nur approximiert werden können.

Was die Mission herausfand

Nach der Rückkehr zur Erde waren über 80 % der Sporen noch keimfähig. Die Forscher berichteten von einer reduzierten Konzentration an Chlorophyll a um etwa 20 %, während andere Chlorophyllformen auf normalen Pegeln blieben; diese Veränderung schien die Gesundheit der Sporen oder ihre Fähigkeit zur Keimung praktisch nicht zu beeinträchtigen. Die hohe Keimrate nach so langer Exposition deutet darauf hin, dass Sporenmechanismen, die DNA schützen oder Zellstrukturen stabilisieren, sehr effizient arbeiten.

„Wir erwarteten fast kein Überleben, aber das Ergebnis war das Gegenteil: Die meisten Sporen haben überlebt“, sagte Tomomichi Fujita, der an der Hokkaido University tätige Biologe, der die Studie leitete. „Wir waren zutiefst erstaunt über die außergewöhnliche Haltbarkeit dieser winzigen Pflanzenzellen.“ Solche Aussagen unterstreichen sowohl die Robustheit einzelner Entwicklungsstadien als auch die Wichtigkeit empirischer Tests außerhalb der Erde. Die Ergebnisse lieferten gleichzeitig Anhaltspunkte dazu, welche molekularen Schutzmechanismen — etwa spezielle Proteine, Antioxidantien oder eine kompakte Chromatinstruktur — aktiv sein könnten.

Viele der Sporen keimten erfolgreich nach ihrer extremen Reise

Warum das für Astrobiologie und Terraforming wichtig ist

Die Befunde haben zwei weitreichende Implikationen. Erstens liefern sie direkte Hinweise, dass einige terrestrische Lebensformen über intrazelluläre Mechanismen verfügen, die extremen Weltraumbedingungen — etwa Vakuum, kosmische Strahlung und ausgeprägte Temperaturzyklen — standhalten können. Solche Mechanismen könnten DNA-Schäden begrenzen, Proteine stabilisieren oder die Reparatur von Zellmaterial nach Strahlenschäden erleichtern. Zweitens liefert die Widerstandsfähigkeit von Moossporen wichtige Überlegungen für langfristige Strategien beim Aufbau biologischer Systeme außerhalb der Erde. Die Frage, welche Organismen sich am besten eignen, um in-situ Rohstoffe zu verwerten (ISRU, in-situ resource utilization) oder um erste Stufen einer bioregenerativen Lebenserhaltung zu schaffen, gewinnt damit an empirischer Grundlage.

Moose gehörten zu den ersten Pflanzen, die vor etwa 500 Millionen Jahren Landflächen besiedelten. Sie trugen wesentlich zur Bodenbildung bei, indem sie Gestein verwitterten, organische Substanz aufbauten und Nährstoffkreisläufe etablierten. Diese ökologische Pionierrolle macht sie zu interessanten Kandidaten für Vorarbeiten auf Mond- oder Marsoberflächen: Moose oder andere widerstandsfähige Bryophyten könnten dabei helfen, Regolith zu stabilisieren, Feuchtigkeit zu binden oder eine initiale biotische Schicht aufzubauen, die später komplexere Pflanzen unterstützt. Dabei ist wichtig zu betonen, dass niemand vorschlägt, morgen Wälder auf dem Mars zu pflanzen; vielmehr geht es um gezielte Anwendungen harter Organismen, die als biologische Werkzeuge dienen — etwa zur Staubbindung, zur Verbesserung physikalischer Bodeneigenschaften oder zur Schaffung lokaler Mikrohabitatzonen für weitere Besiedlungsschritte.

Für die Astrobiologie bedeutet das Ergebnis auch, dass terrestrische Lebensformen potentiell über große Entfernungen hinweg intakt bleiben könnten, wenn sie unbeabsichtigt auf Raumfahrzeugen transportiert werden. Das führt zu ethischen und regulatorischen Fragen zur planetaren Schutzmaßnahme (planetary protection): Welche Risiken bestehen, wenn robustes irdisches Leben auf fremde Himmelskörper übertragen wird? Wie verhindern Raumfahrtagenturen eine unbeabsichtigte Kontamination, die wissenschaftliche Suchmissionen nach einheimischem Leben verfälschen könnte? Solche Aspekte sind entscheidend für die Gestaltung künftiger Missionen, in denen biologische Experimente oder Ressourcenerschließung geplant sind.

Details zur Mission und wissenschaftlicher Kontext

Das Experiment setzte intakte Sporophytkapseln direkt dem Weltraum aus, ohne zusätzlichen Abschirmschutz, für einen Zeitraum von neun Monaten. Nach der Bergung untersuchten die Wissenschaftler Keimungsraten, Pigmentzusammensetzung (wie Chlorophyll a), sichtbare strukturelle Schäden an den Sporenkapseln und weitere Indikatoren für zelluläre Integrität. Die Kombination aus hohen Überlebensraten und nur moderaten Veränderungen in Photopigmenten stützt die Hypothese, dass bestimmte Entwicklungsstadien — insbesondere ruhende Sporen und Samen — wesentlich unempfindlicher gegenüber Strahlung und Austrocknung sind als aktive metabolische Gewebe.

In der veröffentlichten Studie in iScience diskutieren die Autoren mögliche Mechanismen: Schutz durch sporenspezifische Proteine, kompakte Verpackung von DNA in Nukleoproteinkomplexen, effiziente DNA-Reparaturpfade und antioxidative Kapazitäten, die reaktive Sauerstoffspezies neutralisieren. Folgeuntersuchungen könnten biochemische Analysen fokussieren, etwa die Identifikation von Proteinen ähnlicher Wirkung wie LEA-Proteine (Late Embryogenesis Abundant) oder spezielle UV-absorbierende Metaboliten. Ebenso wichtig sind Langzeitversuche unter variierenden Strahlungsdosen und mit simuliertem Marsregolith, um die Interaktion zwischen Sporen und Fremdböden zu verstehen.

Die Autoren betonen, dass das Papier keine unmittelbaren Anwendungen für bemannte Raumfahrt beansprucht, wohl aber neue Forschungsrichtungen öffnet. Zentrale Fragen für nachfolgende Studien sind: Welche molekularen Schutzstoffe verhindern DNA-Brechungen? Können gezüchtete oder gentechnisch modifizierte Stämme für den Einsatz in simuliertem Marsregolith optimiert werden? Und welche logistischen sowie planetenschutzrelevanten Vorkehrungen wären notwendig, bevor man irdisches Leben gezielt auf einem fremden Himmelskörper einführt? Dazu zählen strenge Kontaminationskontrollen, biologische Rückverfolgbarkeit von Proben und abgestufte Teststrategien, die von kontrollierten Experimentierräumen bis zu begrenzten Freilandversuchen reichen könnten.

Methodisch ist hervorzuheben, dass die experimentelle Anordnung der Hokkaido-Gruppe die Relevanz von Feldbedingungen gegenüber rein laborgestützten Simulationen zeigt. Zwar lassen sich Vakuumkammern und UV-Simulatoren am Boden einsetzen, doch komplexe Wechselwirkungen — etwa von thermischen Zyklen durch Sonnen- und Schattenphasen, von Partikelspektren kosmischer Strahlung und von Materialwechselwirkungen an Oberflächen — werden am zuverlässigsten im echten Orbit beobachtet. Diese Art von Feldexperimenten ist daher ein wertvolles Bindeglied zwischen Theorie, Simulation und praktischer Anwendung für die Raumfahrtbiologie.

Gleichzeitig bietet die Studie auch eine Plattform, um interdisziplinäre Fragestellungen zu adressieren: Biologen, Materialwissenschaftler, Strahlungsphysiker und Planetenschutzexperten müssen zusammenarbeiten, um robuste experimentelle Designs, Überwachungsprotokolle und Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln. Außerdem können Modelle zur Strahlenwirkung auf Biomoleküle mithilfe solcher empirischer Daten validiert und verfeinert werden, was wiederum die Planung langfristiger Missionen erleichtert.

Wie Fujita anmerkte, weisen die Ergebnisse auf eine neue Experimentierfront hin, die darauf abzielt, nachhaltige Ökosysteme in außerirdischen Umgebungen zu konstruieren. Diese Moosstudie ist ein kleiner, jedoch bedeutsamer Schritt, um besser zu verstehen, welche Organismen als Pioniere außerhalb der Erde Fuß fassen könnten. Ihre Robustheit macht Moose zu attraktiven Kandidaten für weitere Tests im Kontext von Astrobiologie, in-situ Ressourcennutzung und der Entwicklung bioregenerativer Lebenserhaltungssysteme für langfristige Missionen.

Quelle: sciencealert

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