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Argentinische Forschende haben in den Hochanden ein nahezu komplettes Skelett eines der frühesten bekannten Dinosaurier der Erde geborgen. Das kleine, langhalsige Reptil — benannt als Huayracursor jaguensis — liefert neue Hinweise zur Evolution der Dinosaurier gegen Ende der Triaszeit und erweitert unser Verständnis von frühen pflanzenfressenden Linien, die später zu den berühmten Langhälsen führten.
Ein bemerkenswertes Fossil in etwa 3.000 Metern Höhe ausgegraben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des argentinischen Forschungsrats CONICET gaben den Fund nach mehrmonatigen Grabungsarbeiten in der nordwestlichen Provinz Argentiniens bekannt. Die Ausgrabungsstelle liegt in den Ausläufern von La Rioja, einer Region, die für ihre geologische Vielfalt bekannt ist. Das Team barg Teile des Schädels, eine nahezu vollständige Wirbelsäule bis zur Schwanzspitze sowie fast intakte Vorder- und Hintergliedmaßen. Solch gut erhaltene Knochenkombinationen sind in triassischen Fundstellen selten und ermöglichen eine detailliertere Rekonstruktion der Anatomie und Lebensweise als bei fragmentarischen Überresten.
Besonders auffällig ist die Höhe der Fundstelle: Das Skelett wurde auf etwa 3.000 Metern (ca. 9.842 Fuß) über dem Meeresspiegel geborgen. Diese hohe Lage macht den Fund außergewöhnlich, denn die meisten bisher bekannten Trias-Fossilien stammen aus tiefer gelegenen Sedimentbecken. Die alpine Fundumgebung wirft Fragen zu damaligen Lebensräumen, Transportmechanismen und Sedimentationsprozessen auf: Ließ sich das Tier ursprünglich in niedrigeren Höhenräumen nieder und wurde postmortal bergwärts verfrachtet, oder zeugen die Sedimente von einem damals bereits hochgelegenen Ökosystem mit eigener Fauna und Flora? Die Antwort auf solche Fragen erfordert interdisziplinäre Analysen, von Sedimentologie und Paläopedologie bis zu Geochronologie und Paläoklimatologie.

Nahezu vollständiges Skelett des kleinen, langhalsigen Reptils Huayracursor jaguensis, entdeckt in den Ausläufern von La Rioja. (AFP/CONICET PRESS OFFICE/HANDOUT)
Warum Huayracursor für die Paläontologie bedeutend ist
Die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie ordnet Huayracursor in eine frühe Linie pflanzenfressender Dinosaurier ein, aus der später die langhalsigen Riesen hervorgingen. Die Stellung innerhalb der frühen Sauropodomorpha-ähnlichen Verwandtschaftsgruppen ist für Rekonstruktionen der Stammbaumentwicklung wichtig: Sie zeigt, welche Merkmale bereits vor der massiven Größenvergrößerung vorhanden waren und welche später hinzugewonnen wurden. Trotz seiner phylogenetischen Bedeutung war Huayracursor selbst relativ klein: Erwachsene Exemplare werden auf eine Körperlänge von rund zwei Metern geschätzt bei einem Gewicht von lediglich etwa 18 Kilogramm (ca. 40 Pfund). Diese moderate Körpergröße hilft zu erklären, wie aus kleinen, agilen Pflanzenfressern innerhalb von Millionen Jahren gigantische Sauropoden werden konnten, indem sukzessive Proportionen verändert und neue Konstruktionsprinzipien für Schulter-, Becken- und Wirbelsäulenbau entwickelt wurden.
Agustín Martinelli, einer der Autoren der Studie, datierte den Fund auf einen Zeitraum zwischen circa 230 und 225 Millionen Jahren — nahe dem Ende der Trias. Diese Zeitspanne ist besonders spannend, weil sie die Epoche markiert, in der die ersten Dinosaurier erschienen und frühe Verwandte der Säugetiere sich zu differenzieren begannen. Die Entdeckung von Huayracursor trägt somit nicht nur zur Artenvielfalt der Trias bei, sondern bietet auch Einblicke in evolutionäre Übergangsphasen: Welche funktionellen Anpassungen ermöglichten pflanzenfressenden Linien, größere Körpergrößen zu erreichen? Welche Veränderungen in Nahrungsaufnahme, Verdauung, Skelettbelastung und Fortbewegung waren dabei entscheidend?
Was uns dieser Fund über frühe Dinosaurier verrät
Die nahezu vollständige Erhaltung des Skeletts macht Huayracursor besonders wertvoll für die Forschung. Erhaltene Wirbel über die gesamte Länge der Wirbelsäule sowie gut erhaltene Gliedmaßen erlauben es, die frühen Stadien der Halsverlängerung und die Veränderungen in der Körpergröße innerhalb pflanzenfressender Dinosaurierlinien systematisch zu untersuchen. Forscherinnen und Forscher können morphometrische Analysen durchführen, Muskelansatzstellen rekonstruieren und die Biomechanik von Hals und Rumpf modellieren. Solche Daten sind essentiell, um zu verstehen, wie die oft zitierten 'langhalsigen' Formen ihre Halswirbelsäule strukturell stabilisierten, ohne die Beweglichkeit zu stark einzuschränken — ein zentraler Punkt in der Diskussion um die Evolution der Sauropodomorpha.
Neben rein anatomischen Erkenntnissen liefert der Fund wichtige paläoökologische Informationen. Die alpine Lage und die präzise Datierung ermöglichen Rückschlüsse auf die Lebensräume, in denen frühe Dinosaurier sich diversifizierten. Spuren von Vegetation, Bodenbildungen und Begleitfauna, die sich in derselben Sedimentfolge finden lassen, können Hinweise darauf geben, welche Nahrungsquellen zur Verfügung standen und wie klimatische Faktoren die Verbreitung beeinflussten. Fossilien aus dem späten Trias bieten damit aussagekräftige Momentaufnahmen ökologischer Verschiebungen, die der späteren jurassischen Dinosaurierstrahlung vorausgingen. So lässt sich etwa untersuchen, ob frühe sauropodomorphe Linien bereits spezielle Ernährungsstrategien besaßen, die ihnen langfristig einen evolutionären Vorteil verschafften — etwa eine veränderte Zahn- und Kiefersituation für effizientere Pflanzenaufnahme oder eine spezielle Darmmorphologie für die Fermentation pflanzlicher Stärke.
Darüber hinaus ermöglicht die Kombination aus Erhaltungsgrad und geochemischen Methoden, wie Isotopenanalysen an Zahn- und Knochenmaterial, Rückschlüsse auf die Thermoregulation, Nahrungsökologie und Wanderbewegungen dieser Tiere. Insbesondere stabile Sauerstoff- und Kohlenstoffisotope können Hinweise zum Klima jener Zeit sowie zur Höhenlage des Lebensraums liefern. Wenn etwa die Isotopenwerte auf kühlere, hochalpine Bedingungen hindeuten, könnte das die Interpretation stützen, dass einige frühe Dinosaurier in vielfältigen, sogar extremen Habitaten überlebten und sich an unterschiedliche ökologische Nischen anpassten.
Aussichten und weiterführende Forschung
Die Forschenden betonen, dass weitere Untersuchungen an der Mikroanatomie und der Knochenhistologie des Exemplars nötig sind, um Wachstumsgeschwindigkeiten, Altersstruktur und Lebensgeschichte genauer zu bestimmen. Dünnschliffanalysen der Knochenstruktur ermöglichen es, Wachstumsringe zu erkennen, ähnlich wie bei Bäumen, und so Alter und Lebensrhythmen zu rekonstruieren. Solche histologischen Daten können klären, ob Huayracursor eine rasche juvenile Wachstumsphase durchlief, die mit späterer Wachstumsverlangsamung einherging — ein Muster, das auch bei anderen frühen Dinosaurierlinien beobachtet wurde und möglicherweise eine Grundlage für spätere Gigantismus-Trends bildete.
Neben der Histologie sind auch biomechanische Modelle, CT-Scans und 3D-Rekonstruktionen wichtige Werkzeuge, um Funktionalität und Lebensweise zu analysieren. Digitale Modelle erlauben Simulationen der Belastung auf Wirbelsegmente oder der Muskelkräfte bei verschiedenen Gangarten. Ebenso sind vergleichende Studien mit anderen triassischen und jurassischen Fundstücken notwendig, um phylogenetische Beziehungen und chronologische Abfolgen zu schärfen. Jede neue Datenlage — sei es aus Paläobisphären, Paläobotanik oder Geochemie — stärkt die Fähigkeit, komplexe Evolutionstrends zu erkennen und Hypothesen zur Entstehung großer Körpergrößen oder zur Anpassung an Höhenlagen zu überprüfen.
Schließlich ist Huayracursor jaguensis ein prägnantes Beispiel dafür, dass bedeutende Entdeckungen oft an unerwarteten Orten gemacht werden. Die Hochanden, bislang nicht als klassische Fundorte für solch vollständige triassische Skelettreste bekannt, könnten künftig weitere wichtige Belege für frühe Dinosaurier liefern. Multidisziplinäre Expeditionen, engere nationale und internationale Kooperationen sowie der Einsatz moderner Analysemethoden werden entscheidend sein, um das volle Potenzial solcher Funde auszuschöpfen und das Bild der frühen Dinosaurier-Evolution weiter zu vervollständigen. Die Erforschung von Huayracursor liefert damit nicht nur neue Daten, sondern auch methodische Impulse für die Paläontologie, Paläoökologie und Evolutionsbiologie zugleich.
Quelle: sciencealert
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